Ich will alles verlieren

(Es wird gar nichts bleiben)

Weißt du es nicht?
Lieder sang ich dir,
tausend Worte fielen mir ein.
Alles meinte dich.
Wie, dass ich nicht erwecken kann?
Wie, dass alles stumm blieb?
Ich sang doch und sang.




Die Leierspielerin
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Nacht um Nacht betrat ich die gleißenden Felder

Der Enttäuscher


Die Reise zu meinen Eltern
Photographien, Bilder



38. Die Entäuscherin
39. Ja, ja, nein, nein
40. Wieder träumte ich.
41. Habe ich nicht dich ausgelöscht?
42. Hätte ich nicht...
43. Um dir ein Nein zu sagen, warte ich auf dich
44. Du bist das Ja
45. Lebe ich noch?
46. Da war diese kleine Melodie
47. Verführe mich.
48. Wie ich mich hasse
49. Da war dieses Grauen in mir
50. Missbrauchte euch.
51. Ich konnte das
52. Ich höre nicht auf
53. Ich kann nicht sterben
54. Die Leier
55. Geh nicht zu weit
56. Von Anfang an war das ich, die ging
57. Diese Lüge
58. Mutter, du ahnst es nicht
59. Wie ich sein will die Enttäuscherin
60. Wie kalt sie dich begruben
61. Ich ahne es
62. Ich kenne das nicht
63. Trotzdem
64. Einen Moment lang
65. Die ich verlor und verlor
66. Ich weiß es ja
67. Niemals meintest du mich
68. Ob du das wissen kannst?
69. Ich will und will nicht Abschied nehmen.
70. Ich ahne das
71. Wie ich mich täuschen muß und muß
72. Ich war so allein
73. Also lebst du noch und ich für dich
74. Aren't you going crazy?
75. Warum sang ich dir nicht?
76. Dieses Bild
77. Dieses verdorrte Lied
78. Kann ich die Zeichen lesen?
79. Ich kann nicht warten
80. Wie ich manchmal alles zu wissen wähnte.
81. Mutter, ich rufe dich.
82. Wie ich durch die Straßen lief
83. Ich hasse dich
84. Du willst mich zwingen
85. Eine Antwort nicht, ein Schweigen nicht
86. Dein Wandern über mich
87. Wer ist da außer mir?
88. Wovon wir wohl sprachen?
89. Hörst du verstummen mein Nein?
90. Dieses Spiel
91. Es ist Liebe
92. Siehst du es nicht?
93. Liebe, Liebe, Liebe
94. Ich hörte diese gemessene Musik unter tausend Menschen
95. Wie laut ich alles will
96. Warum nicht?
97. Dieses schändliche Objekt meiner Begierde
98. War vorbei
99. Du kamst gar nicht vor
100. Mein hundertster Versuch
101. Wir werden überleben
102. Ich dachte tausend Jahre nach
103. Dieses Gespenst
104. Ein einziges Mal nur
105. Verließen wir einmal dieses öde Land und sprachen von Liebe?
106. Begannest du noch einmal?
107. Vor einem Jahr
108. Meine alten Gedanken
109. Wirst du dich werfen vor einen fahrenden Zug?
110. Ich bin die Beschwörerin
111. Erstarrt in ihrem Gestus
112. Was ich niemals verstand
113. Laß mich atmen
114. Laß mich beschwören deine Gestalt
115. Einmal, dereinst
116. Ich drohte zu weinen
117. Ich werde zufrieden sein, dich am Leben zu wissen
118. Wieder und wieder musste ich lächeln
119. Mach mich nicht alt und tot
120. Meine Kemnate, dieses öde Land
121. Dass ich liegen will bei dir
122. So sehr du verstummen magst
123. Dereinst
124. Lasst mich sein
125. Wirst du kommen und feiern mit mir?
126. Wie verwirrt und zermartert zu warst
127. Wohin ich wohl gehen soll
128. Alles verlor ich
129. Schnee lag
130. Dein Körper
131. Wie ich nicht aufstehen wollte am Morgen
132. Fiel ich dir nicht in die Arme, als du schon gegangen warst?
133. Aber es war
134. Es gefiel mir so sehr, dass du mich nehmen wolltest
135. Ich berührte mich selbst
136. Dein grobes Bild
137. Ich kann nicht ablassen von dir
138. Ich lief durch München
139. Die ich kauerte in meinem kargen Raum
140. München
141. Wohin ich wohl noch reisen werde
142. Hatte ich nicht verloren meinen Elfengang...
143. Sollte ich nicht niederknien und bitten euch?
144. Die Worte, die ich suchte... manchmal lachte ich
145. Kannst du mir verzeihen, Mutter?
146. Zweimal
147. Eine Antwort, das kennst du nicht
148. Mein Verließ
149. Ihr werdet vorbeigehen an mir
150. Mein Angesicht
151. Mein klopfendes Herz
152. Jemand weinte um mich. Mutter, du sandtest mir ein scheinendes Gewandt.
153. Mutter, du sandtest mir ein Elfengewand
154. Ist es nicht seltsam, ich vermochte es.
155. Liebster, du warst.
156. Sein Atem
157. Mutter, also.
158. Ich vermischte mich




38. Die Entäuscherin

Dann kamst du,
nach tausend Jahren,
du suchtest mich.
Ich lachte wild.
Wie konntest du mich finden?
Ich war doch gar nicht mehr da.
Und ich wollte auch nicht, wollte gar nichts,
nichts von dir.
Wie fandest du mich?
Wie gelang es dir, mein totes Herz , ich lebte gar nicht mehr,
zu versuchen?
Wie es klopfte und am Zerspringen war.
Vor dir musst ich fliehen,
wer hätte gedacht,
daß ich noch einmal hätte fliehen müssen.
Es war doch schon alles vorbei.
Niemals warst du in Frage gekommen, du warst vorbeigegangen an mir,
so wild und alles verkennend,
niemals hätte ich getroffen dich und traf dich,
nicht wirklich, natürlich nicht.
Ich war ja schon tot und du lebtest noch,
und hofftest,
gerade auf mich,
wie du dich getäuscht hast,
getäuscht hast in mir,
wie konntest du hoffen?
Wußtest du nicht,
daß ich die Enttäuscherin bin?


39. Ja, ja, nein, nein

Alle sagten Nein, Nein, Nein
und übertönten mich.
Ich wusste ja nichts und verstand kein Wort.
Ich schrie ja, ja, ja und schämte mich.
Wie ich es liebte, das Ja zu sagen,
aber es war immer schon ein Nein.
Niemals hatte Bestand mein Ja,
es war immer schon ein Nein.
Ich hatte solche Angst.
Ich beschämte mein Ja.
Ich vernichtete es.
Nichts sollte bleiben.
Ich vermochte es nicht zu leben mit dir,
der Erinnerung an dich,
sie beschämte mich,
tötete mich,
löschte mich aus.
Immer suchte ich nach dir,
meinem Ja.
Ich will nicht sterben in der Scham.
Manchmal bete ich zu Gott
und schreie Nein, nein, nein.


40. Wieder träumte ich.

Wieder träumte ich,
konnte es aufhören nicht,
niemals, niemals,
warum konnte es aufhören nicht.
Du warst tot,
viele waren gestorben,
alles war tot,
tot, tot, tot.
Und immer kam einer,
der lebte und mich lebend wollte,
einer, der starb und sterben musste.
Ich wusste ja alles.
Ich hasste die lebend Toten,
sie versuchten mich,
sie hörten nicht auf.
Aber, war es nicht so,
das war ich,
ich versuchte sie,
ich konnte nicht sterben,
ich konnte aufhören nicht,
ich suchte und suchte,
so tot wie ich war,
ich versuchte sie.


41. Habe ich nicht dich ausgelöscht?

Was habe ich mit dir gemacht?
Habe ich nicht
dich ausgelöscht?
Gäbe es eine,
sie wäre nicht du.
Sie wäre mir, mir allein.
Sie könnte niemals sterben,
sie gehörte mir.
Niemals werde ich haben sie.
Ich kann nicht.


42. Hätte ich nicht...

Hätte ich nicht geboren dich,
ich wäre gestorben.
Du weißt das nicht,
du weißt es,
wie das ist.
Ich konnte nicht mehr atmen,
atmen ohne dich.
So allein und verirrt wie ich war,
stand der Tod vor mir.
Dann besuchten wir sie, die Toten,
ganz allein.
Wir versuchten getrennt voneinander das Atmen,
es war schwer,
es war unerträglich schwer.
Wir konnten nicht mehr schlafen,
fürchteten zu verlieren uns, immer, immer.
Schrieen und schlugen wild.
Wie ich einmal das Glück fühlen konnte,
da warst du in mir.
Ich ging durch den Park,
alles war neu,
als wäre ich noch einmal geboren.
Alles war neu, neu und nie gewesen.
Wie ich plötzlich atmen konnte,
wie mein Herz schlug,
wie ich das Leben wollte,
das ich immer gefürchtet hatte.
Wie ich ihn liebte,
den Ritter mit der Verzweiflungsrüstung.
Wie ich geträumt hatte von einem Kind,
von ihm, ihm allein,
wie er es mir nicht hatte geben wollen.
Wie er untergegangen war
und sagte Nein, Nein, Nein.
Wie ich ihn niederrang.
Dann kamst du.
Mit welcher Verzweiflung du ihn zu lieben suchtest,
wie verloren er war, wie gar nicht mehr da.
Er wollte ja nicht.
Nur so einen vermochte ich zu brauchen.
Verzeih mir.


43. Um dir ein Nein zu sagen, warte ich auf dich

Auf dich warte ich,
seltsam, auf dich.
Um dir ein Nein zu sagen,
warte ich,
wie ich warte und warte.
Willst du nicht noch einmal mich versuchen
und dein Herz legen vor meine Tür,
die verschlossen bleiben muß für immer?
Wie ich begierig bin
das Nein zu sprechen,
dein Ja zu hören,
die Enttäuscherin zu sein.
Laß mich noch einmal, einmal hören dich.
Wie ich mich sehne nach dem Ja, das ich niemals sprechen kann,
versuche mich,
du, vielleicht du allein, vermöchtest das,
so wild und zerstört wie du bist,
wer sonst vermöchte zu glauben
an mich,
an eine Antwort von mir, von mir.


44. Du bist das Ja

Du, ja, du bist das Ja.
Du konntest aufhören nicht.
Darin ähneltest du mir.
Siehst du, du vermochtest nichts.
Wie ich begierig bin,
dich zu hören,
wie du zu sprechen scheinst von mir,
meinem Ja, meinem Nein.
Wie mutig du bist,
wie ich dich lieben muß.
Wie du alles mir wurdest,
wie mir nichts sonst mehr blieb,
wie ich dich versuchen musste,
wie ich mich sehnte
nach meinem Nein,
deinem Ja.


45. Lebe ich noch?

Du schweigst.
Denkst du noch an mich,
die Enttäuscherin,
lebe ich noch?
Wirst du mir Auskunft geben?
Ich will dir erzählen,
den einen traf ich wieder,
den großen Enttäuscher,
dem ich Lieder sang.
Er war alt, so alt.
Ich sah seinen begehrlichen Blick.
Wie verwirrt er war,
wie er fühlen konnte,
daß alles, alles vorbei,
wie mitleidlos ich war,
wie ich ihn gar nicht zu sehen vermochte,
er aber mich.
Wie ich die Enttäuscherin war,
wie ich kein einziges Lied mehr sang,
wie ich triumphierte über ihn.
Hatte ich ihm nicht vorhergesagt,
daß er würde sterben müssen?
Hatte ich ihm nicht prophezeit,
daß er nicht würde sterben können?
Er sprach sich groß,
für mich konnte er nicht mehr wachsen.
Ich sah seinen Tod,
der bevorstand und lauerte.
Wir werden alle sterben,
sag mir,
denkst du noch manchmal an mich, die Enttäuscherin?


46. Da war diese kleine Melodie

Es wird gar nicht bleiben,
mein Lied verstummte, aber da war
diese kleine Melodie.
Ich wollte nicht sterben.
Ich wollte warten auf dich.
Du dachtest und dachtest mich.
Das konnte ich fühlen.
Wie du mich hasstest
und nicht aufhören konntest
an mich zu denken,
die Enttäuscherin.
Manchmal sang ich dir ein Lied.
Von dem wusstest du nichts.
Lieber wäre ich tot,
als daß du wüsstest mein Lied.
Sang ich nicht wieder und sang?
Versuchte ich nicht
noch einmal
von den Toten zu erwecken dich?
Ich konnte sterben nicht.
Wie ich suchen musste,
es war gar nichts mehr da.
Nur du, den ich erdachte,
an dem ich festhielt,
an den ich klammerte mich.


47. Verführe mich.

Du verstummtest,
du sagtest Nein.
Dachtest du mich noch?
Denkst du noch an mich?
Lebe ich noch?
Hast du mich ausgelöscht,
wie ich immer träumte,
ersehnte?
Willst du töten mich?
Muß ich gehen?
Ist alles vorbei?
Ich kann nicht gehen,
ich kann nicht.
Sing du mir ein Lied
und verführe mich.


48. Wie ich mich hasse

Wie kannst du leben,
leben ohne mich?
Wie ich festhalte mich
an dir.
Ich habe Angst.
Wie du festhältst dich an mir,
die ich nicht leben konnte
ohne dich,
atmen nicht,
wie ich festhalte dich,
ich hasse mich,
in meinem Festhalten hasse ich mich,
wie ich dich manchmal hassen muß,
dich zerstören will,
nicht festhalten dich,
wie ich zerschlage dein Leben,
wie ich liebe dich,
verzeih mir.


49. Da war dieses Grauen in mir

Wieder war ich ganz allein
und träumte,
war ich jemals allein?
Ließest ihr mich?
Ließ ich euch?
Wie ich mich sehnte
nach dem Nichts,
der vollkommenen Einsamkeit,
einem Stillstand,
einer Ruhe,
die ich niemals fand,
nicht finden konnte.
Die Enttäuscherin,
die Verführerin,
die ich war und bleiben musste.
Wie ich alles verriet,
um zu bleiben,
wie ich niemals ruhig werden konnte,
die Einsamkeit fürchtete,
meinen Tod,
ihn nicht finden konnte.
Da war dieses Grauen in mir.


50. Missbrauchte euch.

Ich muß aufhören,
aufhören zu versuchen dich.
Dich und dich.
Ich habe niemanden gemeint.
Dich vielleicht,
dich und dich.
Ihr branntet in mir.
Die ich meinte,
muß aufhören zu versuchen ich.
Du bist tot, so lange schon bist du tot und willst schlafen.
Du, du lebst,
willst leben.
Ihr anderen,
euch missbrauchte ich.
Wollte sterben nicht,
belebte ein seltsames Feuer,
das zerbrannte mich,
hielt mich ab,
von allem, was mir wichtig war,
meiner Einsamkeit,
dieser hintan gehaltenen Erkenntnis
meines Sterben Müssens,
meines Vergehens.
Ich bin ganz allein.
Wie ich mich fürchte.


51. Ich konnte das

Seltsam,
ich konnte das.
Ihr saht mich an.
Mich, die ich mich verstecken wollte.
Ihr saht mich an und an.
Es konnte aufhören nicht.
Ich war alt, so alt,
euch schien ich jung,
immer noch.
Seltsam,
ich konnte das.
Wecken euer Begehren.
Ich liebte es.
Von euch lebte ich,
fliehend, immer fliehend.
Ich fürchtete mich.
Ich wusste alles.
Ich war seit tausend Jahren tot
und konnte nicht sterben,
alt werden nicht.
Hatte ich jemals gelebt
ohne euch,
der Sehnsucht nach euren Blicken,
eurem Begehren,
das mich beschämte,
das ich floh,
ich wollte ja nicht
und musste leben.


52. Ich höre nicht auf

So tonlos,
ich kann es nicht ertragen,
die Stille, diese Stille,
die Einsamkeit,
das Alter, mein Altsein,
wie soll ich das ertragen.
Mein weißes Haar,
mein müder Körper,
den ich peitschen muß.
Ich hasse den Tod.
Wie sie sterben, wie sie alle sterben.
Ich kann nicht.
Wie er mich zu trösten sucht,
ich will mich nicht trösten,
nicht mit ihm,
niemals.
Ich warte auf dich, und dich.
Wie ihr mich immer riefet,
ich aber
kommen wollte nicht,
niemals,
ich wollte nicht kommen,
trösten mich nicht.
Wie ich ihn hasse,
den Tod,
der mich gebar
und ich will schreien,
daß ich niemals sterbe,
ich höre nicht auf.


53. Ich kann nicht sterben

Du weißt das,
ich kann nicht sterben, wie sollte ich.
Wie ich wartete, immer,
ich bin ein Warten.
Was dachtest du?
Wolltest du mich?
Ich kann nicht sterben ohne dich,
es ist wie alles vorbei und nie gewesen,
und ich lange schon tot, unbemerkt.
Ich will nicht sterben,
nicht sterben ohne dich.
Ich werde weiter leben, ich kann nicht
sterben ohne dich.
Und du,
warum fragst du nicht nach mir?
Muß ich warten und warten, immer?
Gabest du auf?
Verlorest du mich?
Verschwandest du?
Wo bist du?
Ich warte doch,
auf dich.


54. Die Leier

Ich spiele die Leier,
lasst sie mich spielen.
Immer die gleichen Worte,
andere weiß ich nicht.
Wie ich langweile euch,
wie ich das fühlen kann,
wie leer ich bin
und verbrennen muß,
wie es mich verzehrt,
dieses Feuer,
das mich leer und leerer macht.
Soll ich noch einmal sagen,
mich beschämen,
daß ich nicht aufhören kann?
Daß ich singen,
die Leier spielen muß?


55. Geh nicht zu weit

Du verwirrst mich.
Ich denke an den Ort,
den besuchst du,
immer noch.
Erinnert er dich nicht?
Erinnert er dich nicht an mich?
Du kannst das,
einfach weitergehen,
wie kannst du das?
Wohin gehst du?
Sag es mir,
wohin bist du gegangen,
ohne mich?
Wohin, immer weiter, gehst du?
Was ist da, wohin du gehst?
Kannst du mich vergessen,
kannst du auslöschen mich?
Kannst du leben
ohne die Enttäuscherin,
die Leierspielerin
die dich lieben musste und sterben vor Scham?
Geh nicht, geh nicht zu weit,
ich will dich noch sehen.


56. Von Anfang an war das ich, die ging

Seltsam,
auch dich sah ich wieder,
noch einmal.
Alle sehe ich wieder.
Daß du noch einmal mit mir sprichst,
sagtest du,
das hatte ich nicht hoffen können.
Du sahst mich an, so lange.
Es war schon so lange vorbei,
brach es heraus aus dir,
wie deine Augen glänzen,
sprachest du.
Es ist alles vorbei,
flüsterte ich,
du konntest mich nicht hören,
so gefangen warst du in meinen Augen,
die seltsam zu glänzen schienen,
weil ich ja alles brauchte,
was mich am Leben hielt,
alles,
obwohl ich sterben wollte und nicht konnte,
so lange schon,
vielleicht,
seit du mich vor tausend Jahren verließest,
nein, das war ich,
das war immer ich,
von Anfang an war das ich,
die Enttäuscherin,
die ging.


57. Diese Lüge

Diese Lüge,
mit der ich leben muß,
dieses Sagen, daß ich gehen muß
daß ich immer ging,
immer,
daß ich nicht bleiben konnte,
daß ich die Enttäuscherin, die Leierspielerin bin,
Mutter, ich hasse dich.
Ich war immer du,
und niemals ich,
Mutter, verzeih mir meinen Haß,
wie ich dich lieben will,
wie ich will, daß du schlafen kannst,
endlich,
dein schwarzes Haar und mein weißes,
sag mir, wie ich leben soll und sterben,
wie du die Enttäuscherin warst
und sein wolltest nicht,
mich machtest zu ihr,
wie du wolltest nicht,
du wolltest ja nicht,
ich aber,
wie ich alle enttäuschen wollte
und sterben
und konnte nicht,
Mutter, verzeih mir.


58. Mutter, du ahnst es nicht

Wie ich an dich denken muß,
als dieses Kind,
ich aber sollte sein
und grau werden mein Haar.
Wie ich meine Tochter vor mir sehe,
ich aber sollte Mutter sein.
Mutter, wie sollte das sein?
Wie zusammengeschweißt wir das Leben verbringen,
du ahnst es nicht.
Wie du herabschaust auf mich und meine Tränen,
Mutter, ahnst du mich?
Kannst du mich sehen?


59. Wie ich sein will die Enttäuscherin

Und du,
es vergeht kein einziger Tag,
an dem ich nicht an dich denken muß.
An dieses seltsame, elende Leben,
das du lebst.
Ich ließ dich allein.
Ich weiß.
Du gabest auf.
Wie ich dich dafür liebe,
wie du groß wirst vor mir
in diesem Aufgeben,
wie du machst,
daß ich dich bedenken muß,
als wäre ich
nun
für immer bei dir.
Erhöre mich nicht,
Liebster,
du darfst mich nicht erhören.
Mach nicht, daß alles vorbei,
verstumme,
mach deine Ohren taub,
sonst muß ich aufhören, zu lieben dich.
Ich will sein
die Enttäuscherin,
ich will nicht sterben.
Ich hasse mich,
wie ich auch deiner nicht gedenken kann,
als seiest du.
Wie ich die Toten liebe,
die Stummen,
meine Einsamkeit,
die Lebenden aber nicht.
Wie du mich hassen musst,
ich kann alles hören,
wie du mich verfluchst
und aufgibst, aufgeben musst.
Ich kann so leise hören,
wie ich dich beschwören will,
ich kann so leise hören,
wie dich zu brauchen ich
vermöchte nicht.
Du wirst mir niemals glauben,
wie ich dich liebte,
von dir lassen wollte nicht,
wie ich mich zwingen musste
und sagen ein Nein,
wie ich dich liebe
und festhalten muß an dir.


60. Wie kalt sie dich begruben

Du aber,
machtest Ernst.
Seit Jahren muß ich
bedenken dich,
wie kalt sie sich begruben,
wie ich da stand und weinen musste,
die alten, schwarzen Vögel sah,
keiner sonst,
dann floh ich,
das weißt du,
immer musste ich fliehen.
Wie meine Ohren zerschellten,
meine Blicke erblindeten
auf einer Suche nach dir,
den ich vielleicht niemals meinte.
Wie ich zittern musste an deinem Grab,
das so kalt war an diesem wirklich schönen Platz.
Wie ich deinen Körper,
den ich einmal gekannt hatte,
vorstellte als zerschellt,
wie ich,
noch einmal hören konnte,
wie du mich riefest,
mich aber hören wolltest nicht,
wie du dich geworfen hast,
ich dich retten sollte nicht,
wie du zerschelltest,
wie nichts von dir blieb,
wie ich einmal verlassen habe dich,
wie du dich getötet hast,
dein Körper zerschellt
im Vorbeirauschen
eines schnellen Zuges,
den du ersehnt haben musst.
Ich war ja nicht da.
Ich habe tausend Tage geweint,
dann habe ich tausend Tage deiner gedacht,
den ich, vielleicht, einmal liebte
und nicht vergessen kann,
du,
sprich du zu mir.


61. Ich ahne es

Was denkst du,
denkst du an mich?
Ich gebe nicht auf,
wie ich dich sehen kann.
Du musst mich sehen,
immer noch.
Wie machst du das,
das Aufhören?
Ich kann das nicht,
belehre mich.
Ich habe solche Angst.
Du darfst das nicht machen,
was ich ersehne,
du darfst das nicht.
Gestern lief ich durch die Straßen,
wie es manchmal möglich ist,
das wirst du nicht glauben,
alle, alle sahen mich,
sie mussten mich sehen.
Wie stolz ich war,
alles verbergen zu können,
das Graue, den Tod, mein Altsein,
wie ich triumphierte,
wie schön ich war,
du hättest mich sehen müssen,
du aber,
wo warst du,
ich kann das nicht ahnen,
doch, ich ahne es,
ich bin gar nicht mehr da für dich,
du, du hast alles vergessen,
es ist vorbei, schon so lange vorbei,
für dich,
und ich, dieses dumme Karawanentier,
ich bewege mich fort und fort.


62. Ich kenne das nicht

Aber die Liebe,
es war doch Liebe?
Was war es sonst,
war es nichts,
war gar nichts da,
beschwor ich alles,
musst ich alles erfinden?
Warst du,
einfach,
ich sage einfach,
vorbeigegangen an mir,
lachend vielleicht,
lachtest du?
Es ist alles möglich,
dies aber nicht,
sonst, sonst.
Siehst du,
ich will dir drohen, verloren wie ich bin,
ich drohe dir.
Auch liebe ich dich nicht,
warum spreche ich von Liebe?
Ich kenne das nicht,
was ich suchen muß.
Ich kenne das nicht.


63. Trotzdem

Trotzdem.
Ich denke an dich.
Seltsam, seltsam,
für mich,
mein Ankrallen mich,
an dich,
immer, immer wieder an dich.
Diese Worte, diese dürren Worte,
sie vergehen nicht.
Du sprachest sie.
Es sprach ja keiner mehr zu mir.
Verstehst du, wie sollt ich dich vergessen?
Wieder blähe ich auf
ein dürres Bild,
kaum gesprochene Worte,
ich muß.
Niemand sonst sprach ja zu mir,
ich war doch verstummt
und musste hoffen auf dich,
den ich gar nicht wollte,
komm,
und rette mich.
Du wirst dich hüten,
warum solltest du noch einmal
sprechen zu mir,
hatte ich nicht Nein gesagt,
würde ich nicht tausend mal
wiederholen mein Nein?
Aber,
du sprichst nicht mehr,
nicht mit mir,
du hörtest mein Nein,
mein schreckliches Nein.
Du verstummtest.
Selbst du,
du verstummtest.
Es ist alles vorbei,
es ist alles vorbei,
manchmal denke ich an dich,
wie du mich bedenken musst
und mir wünsche,
daß du aufhören kannst nicht.


64. Einen Moment lang

Ich kann dich lachen hören.
Aber du sahest mich ja nicht.
Gestern lief ich durch die Straßen.
Ich war wirklich schön,
so schön, wie du mich einmal erträumtest.
Für einen Augenblick war ich so.
Ich kann das fühlen.
Dann denke ich immer an dich,
weil,
du wolltest das ja,
einmal,
einen Moment lang,
ersehntest du mich.
Manchmal lauf ich für dich durch die Straßen.
und dann seh ich in all diesen Blicken,
die ich meiden muß,
dich.
Erfüllt es dich nicht mit Stolz,
was du vermochtest?
Wüßtest du, erfüllte es dich mit Stolz?
Oder lachtest du?
Lebst du noch?
Ich will dich einmal treffen,
ich werde wirklich schön sein,
sonst renne ich davon.
Oder was?
Wie willst du mich treffen?
Willst du meine weißen Haare sehen?
Was wolltest du von mir?
Liebster, siehst du das nicht,
ich denke und denke an dich.
Du wirst mir niemals glauben,
niemals,
ich antwortete ja nicht,
was solltest du denken,
du weißt das nicht,
du weißt das alles nicht.


65. Die ich verlor und verlor

Alles vermischte sich.
Ich wusste nicht mehr,
wen ich meinte.
Ich dachte an dich, Mutter,
ich dachte an dich, meine Tochter,
die mir manchmal so verloren schien,
so allein und weit weg, wie du, Mutter.
Ich dachte, ja, ich dachte auch an dich,
der du zu mir gesprochen hattest und verstummt warst.
Wie ich mich sehnte nach euch,
die ich verlor und verlor.
Wie ich das Ja nicht sprechen konnte,
wie verloren ich war,
verloren wie sie,
so allein,
wie ich euch alleine ließ,
wie ich machen musste das Nichts,
wie ich nicht wollte, niemals wollte.


66. Ich weiß es ja

Ich kann nicht mehr warten,
ich kann das nicht,
warum sollte ich können das?
Warum ich?
Warum hören diese laute Musik?
Warum trinken diese unermessliche Anzahl von Gläsern?
Warum rauchen ohne aufzuhören?
Warum?
Ich weiß es, ich weiß es ja.
Weil ich mich taub mache und blind,
weil ich nichts mehr hören und sehen will,
sprechen aber muß.
Was ist das,
einer, der taub und blind,
nur zu sprechen vermag?
Mutter, das bin ich.


67. Niemals meintest du mich

Ich kann dich sehen,
jeden Tag.
Ich liebe die,
die mir Nein sagen,
ich kann gar nicht aufhören
zu bedenken sie.
Wie ich mich schäme
in meinem Herbeirufen deiner Gestalt.
Der du missbrauchtest mich, aber meintest.
Aber, meintest du mich?
Wie ich, die Leierspielerin, die Enttäuscherin, die Verleugnerin
alles verdrehen muß.
Und doch: Hätte ich, hätte ich ein einziges mal nur
ein Ja gesprochen.
Siehst du nicht, wie ich mich betrügen muß,
immer?
Niemals meintest du mich.
Wie ich festhalten muß an meinem Nein,
daß niemand mehr hören kann und jemals hörte?
Ich existierte doch gar nicht für dich,
niemals,
ich war gar nicht da.
Ich war, in diesem kleinen Moment,
sehr schön und alles versprach ich,
was nicht zu halten war,
ich aber heraufbeschwören musste.
So geht es mir, immer.
Die ich gewaltsam berühre, denn anderes weiß ich nicht,
sie sterben mir und vergessen mich,
manchmal, so muß ich denken,
können sie nicht aufhören zu träumen von mir.


68. Ob du das wissen kannst?

Kannst du das sehen,
sie starb,
ob du das wissen kannst?
Sie überlebte das nicht.
Da bin ich sicher.
Sie konnte das nicht.
Sie war nicht wie ich und du.
Morgen begraben sie sie.
Sie liebte dich,
ich bin ganz sicher,
sie liebte dich in einer Weise,
die weder du noch ich kennen,
sie kann nicht leben ohne dich,
sie verdorrte ohne dich,
sie war immer so nah bei dir,
das kann ich ahnen.
Sie verzehrte sich in diesem Schmerz
dir nicht nah sein zu können, immer,
ich kann das fühlen.
Sie konnte nicht rennen,
wie ich gerannt bin,
weg, weit weg von dir,
weil ich das empfinden konnte,
wie du mich umschlangest mit deinem Schmerz,
der die Luft zum Atmen mir rauben wollte.
Liebster, ich konnte das.
Wie ich denken muß an sie.


69. Ich will und will nicht Abschied nehmen.

Ich weiß und weiß,
du kannst nicht vorbeigehen an mir.
Du wirst es nicht.
Es ist unmöglich,
so dachte ich.
Ich dachte ja immer.
Wie du mich ersehntest,
wie hätt ich ahnen können
deinen Haß,
der mich unvermutet traf und traf.
Ich bin die,
die von Verrückten träumen muß,
so dachte ich und verkannte alles.
Verabschieden aber kann ich mich nicht.
Alles ist besser, alles.
In den Staub mich knien und weinen,
alles, alles.
Ich bin zu allem fähig,
wie ich verfolge dich und nicht loslassen kann,
spürst du das nicht?
Was denkst du um Mitternacht,
ich weiß ja, da dachtest du an mich,
lange, lange.
Wie du dich entblößtest vor mir,
wie ich mein Nein schrie,
von dem ich niemals, niemals
wähnte,
es könne erreichen dich.
Ich will und will nicht Abschied nehmen.


70. Ich ahne das

Ich ahne das,
du wirst mir schreiben,
bald.
Die Zeit ist vorbei.
Die Zeit des Schweigens ist vorbei,
das weiß ich sicher.
Du kannst das nicht,
du wirst nicht schweigen können.
Wie ich das weiß
und beschwören muß.
Alles weiß ich, alles.
Hintreten vor mich
wirst du
und sprechen.
Dieses mal, ich werde alles bedenken, alles,
es war zu lange, es war viel zu lang.
Ich ahne alles.
Ich kann dich sehen,
zerrissen und zerstört.
Du willst nicht sterben.


71. Wie ich mich täuschen muß und muß

Muß ich?
Muß ich jagen nach deinem flüchtigen Bild,
das niemals gehörte mir,
weil ich schrie nein und nein,
nein,
weil du es mir zu geben vermochtest nicht,
weil du es niemals mir zu geben gedachtest,
jage ich.
Immer überschätzte ich mein klägliches Nein.
Es erfüllte mich mit unermesslichem Stolz.
Laßt mich nicht Abschied nehmen von meinem Stolz,
lasst mich jagen, sterben nicht.
Ich will mich täuschen über den Tod,
ich will denken und denken,
aufhören nicht,
schlafen nicht,
aufwachen nicht.
Ich will denken, daß du da warst,
erträumtest mich,
daß du die Hand legtest auf mein Haar.
Ich will denken,
daß du sterben konntest nicht,
die Hand auf meinem Haar,
du konntest das nicht,
wie konntest du?


72. Ich war so allein

Dann hörte ich dich singen.
Ich war so allein.
Da hörte ich dich.
Ich hatte alles vergessen.
Wie ich unterging,
noch einmal unterging.
Es war diese Schönheit,
es war das alles,
was du vermocht hattest,
und das einen Bestand zu haben schien.
Wie ich mich hasste und dich liebte,
als ich deine Stimme hörte.
Du warst so weit weg von mir,
so unermesslich weit,
so verloren, wie ich.
Wie mich deine schöne Stimme rührte,
dein Nahesein dem Aufgeben,
dem nicht mehr sein,
wie ich mich hasste,
wie ich sterben wollte.
Ich hatte nichts vermocht, gar nichts,
ich musste deine Stimme hören
und sie war schöner als alles,
was ich jemals gehört hatte.
Du aber hattest alles vergessen,
all deine Lieder,
du warst verstummt.
Mutter, komm und hilf mir,
warum bin ich immer so allein,
warum ist keiner da,
zu hören diese Schönheit,
diesen schrecklichen Kampf,
der nicht aufhört.


73. Also lebst du noch und ich für dich

Deine karge Nachricht,
die vielen bestimmt,
also lebst du noch.
Ließest alles offen,
unwägbar,
ob du meiner gedachtest noch,
ob ich gemeint war.
Dann dachte ich:
Ja, ich war gemeint.
Ich las die verstörende Zeit
des noch nicht angebrochenen Morgens,
der noch nicht zu Ende gegangenen Nacht.
Das war nur ich, die du gemeint haben könntest,
niemanden sonst,
so vermeinte ich.
Teiltest du nicht auch mit
die Trennung von deiner Frau,
las ich das richtig?
Wurde plötzlich alles möglich,
oder las ich es nur hinein in alles,
hatte es keinen Bestand?
Hatte ich nicht geträumt von dir,
wieder und wieder,
wie du plötzlich da warst
und mich sahest,
so schön wie sein ich konnte,
für einen Augenblick,
wie ich mich drehte und drehte
für dich,
für einen einzigen Augenblick,
wie ich am Leben mich hielt
für dich, dich allein,
ausgenommen meiner Tochter,
meiner Mutter,
die so fern und unwägbar
mir blieben, wie du.


74. Aren't you going crazy?

You are, aren't you going crazy?
Don't I wish it?
...you cannot sleep anymore,
How I imagine,
myself,
never, never sleeping,
I cannot,
can not sleep.
We can not, never can we.
We are staying awake all the night.
We cannot stand against the dead,
we cannot,
Aren't I'm crazy myself?
Don't you wish to meet me anymore?
Couldn't we share the sleepless night,
if nothing else?
Wouldn't there be this never ending night,
this night, we'd meet in,
couldn't we come together in this,
and lessening everything, this being, most of all,
this being hurt and being alone, all alone and deserted,
Couldn't we try?
Don't I know?
We are doing this already,
We don't need no contact,
Nothing we need,
don't I know,
that there is nothing,
we need?
We are swimming,
we are coming together
in this dark space of time,
this unrememberable space of time,
we are meeting,
you, all crazy and haunted,
are meeting me in some undefined sphere of time.


75. Warum sang ich dir nicht?

Verzeih mir,
ich erkannte dich nicht.
Niemals sang ich dir.
Alles versäumte ich.
Ich weiß nicht,
warum das so ist.
Ich sah dich gar nicht.
Wie blind ich war.
Ich war gar nicht da,
als du versuchtest,
mich zu lieben.
Liebte ich dich?
Ich weiß es nicht,
was Liebe mir war in diesen Zeiten.
Existierte ich?
Was wollte ich?
Ob ich dich wollte?
Warst das nicht wirklich du,
der ansah mich,
du, bei dem ich nicht bleiben konnte?
Warst das nicht du,
der sich stürzte vor einen fahrenden Zug,
warst das nicht du, bei dem ich nicht bleiben konnte?
Ich weiß noch,
ich ging und konnte nicht gehen.
Dann sagtest du nein und nein.
Manchmal riefest du mich.
Immer kam ich, immer,
so weit weg auch gerannt ich war.
Ich sehe diese Bilder,
ich sehe,
wie wir einander gehörten,
wer auch immer ich damals war,
ich weiß es nicht.
Lieder sang ich nicht,
dir sang ich keine Lieder. Vielleicht: wir waren.
Verzeih mir: ich erkannte dich nicht.
Wie du mich hieltest in deinen Armen, immer,
wie sicher ich plötzlich war.
Warum sang ich dir nicht?
Warum musste ich gehen?
Es ist alles so falsch,
so umgekehrt.


76. Dieses Bild

War das ich?
Warum musstest du gehen,
als hätte ich dich gestoßen
vor diesen schnellen Zug?
Ich kann dich leise rufen hören.
Ich ging ja immer durch die Straßen
und suchte dich.
Immer, immer hörte ich dich.
Du,
dem ich niemals sang,
dich konnte ich hören.
Wie seltsam, daß ich dir nicht sang
und alles hören konnte von dir,
wie du mir sangst.
Du weißt schon,
da ist dieses Bild von uns,
du hast es geliebt,
ich habe es angeschaut in der Nacht.
Ich dachte: Dieses Bild, es ist wie für immer,
alles schien möglich zu sein, damals.
Wie wir lachten, wie stolz wir waren,
wie alles uns zu gelingen schien,
wie lange alles vorbei,
du tot,
und ich, die dir niemals sang,
beginne dir zu singen.
Liebster, das kannst nur du verstehen,
warum das so ist,
warum ich so bin,
du sangest mir.


77. Dieses verdorrte Lied

Du aber,
du aber.
Du singst für mich.
Siehst du,
wie ich dich nehmen will,
für mich allein,
ich will doch nicht.
Wie ich dir einmal sang und sang.
Wie du so früh zu singen begannest,
einer Antwort gleich,
wie du alles wusstest von mir,
wie du dich auszukennen schienest mit diesem Traum,
wie umsponnen du warst.
Wie du zu kämpfen begannst,
das warst du.
Wie du suchen musst,
aber sicher weißt,
das weiß ich,
von diesem Lied,
das verdorrt mir war,
das ich kannte nicht
und erkenne in dir.


78. Kann ich die Zeichen lesen?

Du mußt sie verlassen haben.
Kann ich die Zeichen lesen?
Es kann nicht sein.
Ich kann dich nicht sehen, ohne sie.
Du wirst verzweifeln,
wenn ich die Zeichen lesen kann,
du wirst mir schreiben,
wenn ich die Zeichen lesen kann.
Etwas Furchtbares wird beginnen,
wenn ich die Zeichen lesen kann.
Spielst du mit mir,
war es mein Spiel?
Ich konnte dich ja niemals trösten,
ich wusste kaum ein Wort,
niemals antwortete ich
und konnte nicht aufhören
zu bedenken dich
mit dem Nein, das ich schrie.
Wie du alles zu hören vermochtest,
was ich niemals zu sagen gedachte.
Wie ich das merken kann,
daß du alles weißt,
wie ich Nein sagen muß
und aufhören kann nicht.
Es ist so leise,
es war ja gar nichts,
das bist du,
du machst alles laut,
mein abgewandtes Gesicht,
mein Grauen, meine Angst.
Du lässt mich laufen durch die Straßen
und erwarten dich.
Ich weiß so sicher,
nichts wird sein,
alles aber ist und scheint zu geschehen.
Werde ich jemals sagen ein Wort?
Welches Wort sollte das sein?
Ich werde sagen: Einmal traf ich dich,
das warst gar nicht du,
den ich traf,
für dich und mich,
war alles schon vorbei.
Das bin auch ich,
die dich weiß.
Wir suchten so schrecklich nach etwas,
was wir nicht finden konnten.
Ich kann dich hören, wie du sagst:
Wir werden es finden.
Ich kann dich immer hören
in deinem Aufgeben nicht,
wie ich mich hören kann,
wie ich verstummen will,
wie mein Spiel ich spiele,
du deines,
wie wir aufhören nicht.
Laß mich die Zeichen lesen nicht,
laß mich verstummen.
Laß mich verstummen.
Ich weiß,
daß du mich hören kannst.
Wie machst du das?
Was fällt dir alles ein?
Wie lebendig du bist.
Wie du spielen kannst.
Wie du mit mir sprechen kannst,
ohne mich zu meinen,
mich antreibst,
in diesem Wunsch, gemeint zu sein.
Ich kann die Zeichen lesen.
Du gingest.
Alles,
was ich dir niemals zu sagen wagte,
hörtest du
und begannest neu.
Vielleicht auch meinst du mich,
vielleicht.
Dein Gehen macht alles neu,
wie ich liegen muß in diesem Staub
deines Gehens.
Laß mich stolz sein
über dein Gehen,
das mich einschließt,
meint aber nicht.
Wissen wir das nicht,
daß wir uns nie meinten,
daß da immer viel und alles war,
so viel, daß wir es nicht bedenken konnten?
Ich kann und kann nicht,
was ich will und will.
Du aber gehst und kannst und willst.
Heute morgen,
wieder,
du weißt schon,
ging ich durch die Straßen.
Das machst du,
meine Schönheit,
mein Lachen.
Das machst du,
die alle, die ansehen mich,
meine Freude,
dieses Unbekümmertsein,
dieses Dasein.
Kann ich die Zeichen lesen?
War ich nicht gemeint?
Träumte ich?
Träumte ich dich?
Wie du es verstehst
alles offen zu lassen
und mich zu halten,
als wüsstest du,
wie schnell ich rennen kann.
Wie du mich machen kannst,
wie du triumphieren musst,
ich weiß schon,
ich weiß schon,
es genügt, genügt es nicht?
Du willst nicht,
du bist wie ich,
wir wollen nicht,
wir fürchten uns.
Willst du noch einmal alles?
Noch einmal untergehen?
Träumst du,
wie ich,
noch einmal von allem,
das keinen Bestand haben kann?
In der Nacht
sah ich sie anschauen uns.
Sie schauten und schauten
und hassten,
verachteten uns,
als wir zusammen waren.
Wir waren ganz allein,
wir liebten uns.
Es kann nicht sein.


79. Ich kann nicht warten

Wie verloren ich bin,
wie zerstoben,
wie alles mich enttäuschte
und langsam war,
so unerträglich langsam,
wie ich nicht warten kann,
wisst ihr nicht,
daß ich keine Zeit habe?
Warum martert ihr mich mit dieser unendlichen Zeit,
die mir nicht gehört?
Was macht ihr aus mir?
Ich bin das nicht,
ich kann nicht warten.
Ich kann das nicht.
Sagt mir ein Morgen,
lasst mich nicht sterben.


80. Wie ich manchmal alles zu wissen wähnte.

Konnt' ich also die Zeichen lesen,
verkannte ich alles?
Ich las ja und las
diese dürftigen Zeichen,
andere wurden niemals mir gesandt.
Wie allein ich blieb mit diesen.
Wie ich mein Lied sang,
so allein, so allein.
Rechnete ich jemals mit einer Antwort,
konnte so vermessen ich sein?
Wie ich manchmal alles zu wissen wähnte,
alles.
Wie ich unterging, wie ich unterging,
wie ihr alle verstummtet.
Wie ich träumen musste,
aufwachen konnte nicht.
Wisst ihr das nicht?
Wisst ihr gar nichts von mir?
War ich von Anbeginn
geboren in dieses öde Land?
Wußte ich nicht alles?
Warum betrog ich mich so,
spielte die Leier?
Wer wollte sie hören?
Wie ich, die Leierspielerin,
mich betrügen muß
über das Totsein.
Wie ich keinen erwecken kann,
keinen.
Wie ich immer wusste:
Es wird gar nichts bleiben.
Wie ich das zu verleugnen trachtete,
so lange,
mein Geborensein hinein in dieses öde Land,
das ich zu erwecken trachtete,
Mutter, du bist tot.


81. Mutter, ich rufe dich.

Kann ich aufhören nicht?
Mutter, ich rufe dich.
Wer, außer dir,
verstünde mich?
Mutter, sieh,
wie ich zufallen muß
diesen Männern,
die mich niemals meinten, niemals,
wie sie rufen mich,
mich gebrauchen wollen,
Mutter, schütze mich.
Er aber,
du hast ihn zu meinem Vater gemacht,
wie ich ihn lieben muß,
was war er dir?
Ach, könntest du mir berichten.
Konnte er dich lieben,
ich weiß schon, du liebtest ihn,
erhofftest alles.
Mutter, wie du untergingst.
Du weißt nicht, wie ich ihn lieben muß.
Siehst du,
wir sind so alt geworden,
wie es dir nicht möglich war.
Wie seltsam das ist.
Jetzt bin ich das,
die ihn lieben muß
und nicht aufhören kann,
Mutter,
wie ich das wünsche,
daß du herabschaust auf mich,
daß du mich siehst,
wie ich ihn lieben will und muß.
Wie ich dich sehe,
das bist doch du,
das bin gar nicht ich,
Mutter, sprich zu mir.


82. Wie ich durch die Straßen lief

Inmitten dieses öden Landes
sah ich dich,
ja, ich konnte dich sehen.
Wie seltsam das ist,
du sahest mich ja gar nicht.
Du,
das weiß ich sicher,
du sahest meine Schönheit,
du wusstest nicht,
wie hässlich ich war,
wie verkommen und alt.
Du sahest nur den Glanz.
Wie ich dich lieben musste dafür.
An dir hielt ich mich fest,
dich ließ ich nicht mehr los.
Ich dachte mich fest an dir,
der du von mir etwas sehen konntest,
was keinen Bestand hatte.
Wie schön ich sein konnte für dich,
wie ich durch die Straßen lief.
Welche Angst ich habe vor deinem Vergessen mich,
ich kann es gar nicht sagen.
Kann ich die Zeichen lesen?
Ich will ja nicht,
was aber soll sein?
Will ich dich,
willst du mich?


83. Ich hasse dich

Ich hasse dich.
Ich will dich
anfassen mit meinem Haß.
Wie du mich umkehrst
und fern bist, so fern.
Wie du mich umkehrst und um.
Laß mich die Leier spielen
und noch einmal sagen:
Wie auch dir alles gelang.
Alles gelang euch.
Ihr machtet vergessen mich dieses öde, tote Land,
das mich umgab.
Ich hasse dich.
Laß mich wandern durch dieses Land,
ich will nicht.
Ich weiß ja alles,
ich weiß,
daß wir sterben müssen,
ihr wisst das nicht,
wie ihr mich beleben wollt
und vernichtet,
noch einmal.
Wie ich wieder wach bin in der Nacht,
in der ich dich treffen will.
Wie ich schon einmal sagte:
Ich kann nicht schlafen,
aufwachen nicht.
Wie ich schon einmal sagte:
Laß mich darum flehen,
die Enttäuscherin zu sein.
Wie ich dich hasse,
was machst du mit mir?
Du lässt mich nicht.
Wo bist du überhaupt?
Warum verwirrst du mich mit diesen Zeichen,
die ich lese und lese?
Willst du triumphieren über mich,
wie lange noch?
Du fütterst mich
mit kargen Zeichen,
als wüsstest du,
ja, ich weiß ja,
du weißt mich.
Wie seltsam.
Dabei: Die Zeichen schwinden,
die Zeichen,
die ich lesen muß und lesen.
Wie du mich verhungern lässt
im Strom der kargen Zeichen,
wie du verstummst,
auch du,
du verstummst,
wie ich dich hasse.
Wie ich dich sehen kann
mit dieser und jener,
wie du meiner gedenken mußt.
Das kann ich hören,
immer hören,
ich habe solche Angst,
daß du aufhörst
dich zu verbeissen in mir,
mich vergisst mit denen,
die sagen ein Ja.
Vergiß mich nicht,
die Enttäuscherin,
die Nein-Sagerin,
die dich suchen muß,
weil es sonst niemanden mehr gibt für sie
in dem öden Land, das sie durchwandert.
Es gibt ja nur dich.


84. Du willst mich zwingen

Wieder habe ich sie gesucht,
die kargen Zeichen von dir.
Wieder hoffte ich,
für eine kleine Zeit.
Warum machst du das?
Willst du mich zwingen,
dir zu schreiben?
Du machst alles richtig,
woher weißt du das alles?
Du willst mich zwingen.
Du willst mich zwingen.
Wie du alles weißt,
was Bestand hat,
wie du die Enttäuscherin zwingen willst,
wie du das vermagst,
sie an den Rand von allem zu bringen,
was sie hasst.
Wie du weißt, daß sie sich so schrecklich fürchtet
vor dem Nichts,
wie sie manchmal alles tun würde,
zu entgehen.
Wie sie will aber nicht
und sich festhält an ihrem Stolz
und untergehen will nicht,
nicht so, niemals so,
wie sie es hasst,
dieses öde Land,
und dich,
der du ihr entkommen willst,
der du spielen kannst,
wie sie es ahnen konnte nicht.
Wie sie dir ihre Botschaften schickt,
die nur du zu hören vermagst,
Liebster, nur du.
Wie sie sich klammert an ihren Stolz,
an dieses öde Land,
von dem sie in der Nacht träumte,
sie verließe es.
Wie sie träumen muß
in jeder Nacht,
wie sie nicht mehr aufhören kann
zu träumen,
wie sie lebt in diesem verhassten Traum,
in dem sie dich sehen kann,
Liebster, dich,
den Letzten,
der von ihr träumen konnte,
so verwirrt wie er war, so blind, so taub,
so wie für sie gemacht.
Du sahest ja nichts.
Meine Hässlichkeit, meine Dunkelheit nicht, mein Altsein.
Wie ich dich dafür lieben muß.
Wie ich mich fürchte,
ich will ja aufwachen nicht,
wie sollte ich?
Liebster,
ich will warten auf dich,
dann will ich rennen,
nichts, es wird gar nichts sein,
so hässlich und alt wie ich bin,
es kann gar nichts sein.


85. Eine Antwort nicht, ein Schweigen nicht

Ich habe alle vergessen,
dich allein kann ich noch sehen.
Du musst das wissen.
Wie ich mich verzehre nach einer Nachricht von dir,
die endlich mich meint,
mich allein.
Wirst du sie mir schicken?
Liebster, wirst du das tun?
Ich habe solche Angst,
ich kann,
das weißt du,
schlafen nicht,
Liebster, wir können nicht schlafen.
Ich weiß das,
weiß das von dir.
Wie ich dich liebe
in deinem mich Warten-Lassen,
was sonst solltest du tun?
Du, du weißt ja alles,
du weißt,
daß ich nichts,
gar nichts mehr ertragen kann,
eine Antwort nicht,
dein Schweigen nicht.
Wie ich alles auf dich setze,
auf dein Verrücktsein,
auf dich, auf dich.


86. Dein Wandern über mich

Sollte ich nicht,
sollte ich nicht
gewahr werden
der Wirklichkeit?
Sollte ich nicht,
verstehen
endlich
alles?
Das bist nicht du,
du bist gar nicht da,
wie du mich verhungern ließest
in den kargen,
mir nicht,
mir nicht geschickten Zeichen,
die da waren,
die du mir sandtest,
mich zu zerstören,
wie du dich rächen willst und musst.
Wie du mich vergessen hast und hasst,
worauf soll ich warten noch?
Soll ich tausend mal noch fragen,
ob du lebst?
Du lebst ja nicht für mich,
wie du vorbeigingest an mir,
wie du das Leben liebst,
mich vergessen musst,
ich weiß das.
Wie ich verblasste
und nicht mehr war
für dich,
nicht für dich,
wie ich dich aufhalten will
in deinem Wandern über mich.


87. Wer ist da außer mir?

Am Abend schrie ich auf
und zersprang.
Deine Zeichen, deine Zeichen,
wieder an alle,
wer
ist das außer mir,
ist da einer außer mir,
der deine Zeichen empfängt?
Nun also weiß ich,
du gingest,
ach, ich ahnte es ja.
Wie ich ahnen kann,
sie wollte dich töten,
sagst du das nicht?
Jetzt warst du das,
der rennen musste.
Wie du mich teilnehmen lässt
in dieser unheimlichen Weise,
wie du andrängst
und mich sprechen machen willst.
Ich will nicht,
daß du sterben musst,
ich fürchte mich.
Wie ich einmal ahnte,
wie ich das fühlen kann,
wieder und wieder,
du wirst mir näher rücken und näher,
wir werden entrinnen nicht.
Ich will ja auch nicht,
manchmal will ich nicht mehr.
Du wirst mich missbrauchen,
wie ich dich hören kann,
wie du alles benutzen wirst,
alles.
Wie ich untergehen werde,
wie du,
das bist du,
der machen wird meinen Tod.
Was will ich beschwören,
will ich denn alles beschwören,
um zu entrinnen,
du weißt schon,
diesem öden, toten Land,
das uns umfängt.
Will ich mich in deine Arme werfen
und untergehen mit dir,
dem letzten, der mich rief.
Will ich mit dir noch einmal atmen,
ich will doch nicht.
Wie du mich träumen machen kannst,
wie ich nicht aufhören kann zu träumen von dir,
wie ich dich unausweichlich treffen muß,
wie du alles erfinden wirst,
was unausweichlich ist,
wie ich das ahnen kann.
Wir werden uns begegnen,
wie sicher ich das weiß,
als wäre ich du.
Weißt du,
es wird gar nichts sein,
ich weiß das.
Ich werde das machen können,
daß gar nichts ist.
Ich werde dir gegenüber sitzen,
ich weiß das,
es ist unausweichlich,
ich kann uns sprechen hören,
wir werden sagen ein Nichts und Nicht-Gewesen,
wir werden uns in die Augen sehen,
wie ich das will.
Ich will dir in die Augen sehen
und sagen ein Nein,
ich will und will dir sagen ein Nein.
Dann will ich träumen von dir,
ich will und will träumen von dir.
Bin ich das, die Enttäuscherin, die Leierspielerin,
bin nicht ich das, die Missbraucherin?
Wie ich alle enttäuschen und missbrauchen muß.
ihnen die Leier spielen,
sie mir verfallen machen muß,
ach, du, vielleicht, vielleicht,
ahnst du nicht alles,
kannst du nicht rennen.
Wie ich dich sehen kann,
ersehnend mich,
wie ich dich haben will
und Nein sagen dir,
wie ich dich werfen werde in dieses öde Land,
dem du entrinnen willst,
wie mitleidlos ich bin,
wie furchtbar ich bin,
kannst du nicht rennen?


88. Wovon wir wohl sprachen?

Wir sprachen nicht von Liebe,
dieses Wort kannten wir nicht,
wovon wir wohl sprachen?
Wir sprachen ja nicht.
Was es wohl war,
was uns antrieb und aufhören ließ
nicht?
Es war nicht Liebe, war nicht Liebe.
War denn gar nichts, war nichts,
ich konnte dich doch immer hören,
du sprachest ja nicht,
wie du verstummtest mir,
wie du mich rühren konntest,
wie ich alles machte aus dir,
wie du mich suchen konntest.
Wie wir uns sahen und trafen,
wohl tausend mal
und aufhören konnten nicht,
wie wir uns missbrauchten und enttäuschten,
wie wir die Leier spielten,
nicht verlöschen wollten,
wie wir es benötigten, voneinander,
die Leier zu hören,
dieses Nein, diese Ja,
wir wussten ja nichts,
wie wir zerstoben waren
und lagen
auf dem Grund des Meeres,
immer.
War das nicht Liebe,
war das nicht Liebe?


89. Hörst du verstummen mein Nein?

Hörst du,
hörst du verstummen mein Nein?
Kannst du mich sehen,
wie ich mich drehe für dich?
Wie ich dich hören kann,
du rufst mich so laut.
Wie ich in allem, allem,
dich sehen kann.
Da ist dieses Lächeln auf meinem Mund,
als wüsste ich, immer.
Wie ich manchmal unvermutet lache,
wie alles hinwegzuschieben mir gelingt,
ich weiß dich ja,
wie das genügt,
zu genügen scheint.
Als wüsste ich alles,
als sei alles gut
und niemals wieder
könne geschehen, was mir geschah
und geschah.
War das nicht Liebe?
Wie sie ansahen mich
und ergründen konnten nicht,
wie du da warst,
von dem sie nichts wussten,
nicht wissen sollten.
Wie mir,
mir nun, alles gelang,
weil ich dich wähnen konnte,
da, wo du, wie ich vermeinte,
warten konntest auf mich.
Wie ich mich drehen muß,
wie sicher ich bin,
wie ich dich sehen kann,
immer nur dich,
ist das nicht Liebe?
Ist das nicht Liebe?


90. Dieses Spiel

Müssen wir
aufhören nicht?
Kann ich nicht fühlen die Vergeblichkeit?
Kann ich aufgeben nicht?
Kann ich nicht wissen
diese Steine, dieses Vergrabensein,
dieses für immer?
Kann ich nicht fühlen,
wie wir untergehen,
kann ich nicht fühlen,
daß ich nicht will
und nie gewollt habe?
Kann ich nicht fühlen,
wie ich dich fürchte
und alles haben will,
dich aber nicht?
Kann ich nicht fühlen
dieses seltsame Spiel,
das aufhören kann nicht,
dieses keine Liebe,
ich liebte dich ja nicht,
ich kannte dich nicht,
wie fremd du mir bist,
wie ich dich hasse.
Ist alles vorbei,
sag mir, ist alles vorbei?
Die wir uns trafen in diesen Nächten,
die wir uns umeinander drehten.
Wie wir uns drehen werden,
für immer, wie ich nicht aufgeben kann
diesen Traum,
diese Liebe,
ist das nicht Liebe?
Ach, wir wissen nichts von Liebe,
wie wir uns drehen.
Wie ich dir sagen will: Das ist nicht Liebe,
Liebster,
das ist nicht Liebe,
Das ist ein allem Verlorensein,
das ist dieses Vorbeisein,
das ist dieses nie Gewesensein,
das ist dieses gar Nichts,
wie wir nicht aufhören können
uns zu drehen,
wie fern mir alles rückt,
als wäre nichts gewesen,
als wäre nichts gewesen.
Ist das nicht Liebe?


91. Es ist Liebe

Es ist Liebe,
es ist Liebe,
laß mich verstummen,
laß mich noch einmal verstummen,
es ist ja Liebe,
anderes weiß ich nicht,
wusste nie,
wie sollte ich wissen?
Wie ich dich ersehne,
wie du schweigst,
wie du schweigen kannst,
wie ich dich liebe,
ist das nicht Liebe?
Ist das nicht Liebe?
Wie ich warte auf ein Wort von dir,
ist das nicht Liebe?
Wie ich denke an dich
und niemals werde aufhören damit,
ist das nicht Liebe?
Wie dein Verstummen mich antreibt
und treibt,
wie du mir alles sagtest und verstummtest,
ach, ich kann dich nicht vergessen,
es ist auch nicht diese kleine Melodie,
es ist ja gar nicht wahr,
es ist diese Sintflut unermesslicher Töne,
es ist mein Verlorensein in dieser Sintflut der Töne,
Liebster,
du musst mich retten,
weißt du das nicht,
sprich du zu mir,
sprich du zu mir.
Wie ich das ahne,
wie du mich vergisst und zerstörst,
wie du nicht mehr sprechen willst,
nicht zu mir,
ich bin ja gar nicht da,
ich weiß ja,
es ist alles so schwer, so schwer,
wie ich alles gesetzt habe auf dich,
du kannst nicht,
du kannst nicht,
wie solltest du?
Ich will dich verführen
in unseren nächtlichen Gesprächen,
ich will dich halten,
wie ich mich erinnere und erinnern will,
wie ich dich mit meinem Erinnern halten will und werde,
wie ich das will,
daß tausenden deiner Nachrichten,
die ich nicht beantwortete,
eine folgt, eine, nur eine.
Du schreibst mir nicht mehr,
wie du alles vergessen hast,
wie du das nicht mehr sehen kannst,
wie schön ich bin,
wie ich schön sein kann für dich,
wie ich mich für alle drehe,
um in ihrem Blick, in ihrem Blick,
die Möglichkeit deiner Antwort zu lesen.
Weißt du nicht, wie schön ich sein kann,
hast du alles vergessen,
ich will nicht sterben.
Nie wieder wirst du finden, eine wie mich,
eine die sich drehen will vor dir,
so schnell und heftig,
wie ich das will.


92. Siehst du es nicht?

Siehst du nicht,
da ist es wieder,
dieses Bild.
Siehst du es nicht,
du wirst es sehen,
ich will dich zwingen.
Ich sehe aus,
ich sehe aus
als gehöre mir die Welt,
ich bin wirklich schön,
ich renne und renne,
ich renne zu dir,
daß du mich sehen kannst.
Wie soll ich finden dich?
Wie soll ich dir sagen,
wie soll ich dir sagen,
daß es Liebe war,
es war doch Liebe,
wie ich zweifelte,
immer, laß es Liebe sein,
es war doch Liebe.
Wie du mich machst in deinem Verstummen,
Liebster, ich kann dich hören,
immer, immer höre ich dich,
du bist gar nicht mehr da,
wie du vergessen kannst,
wie du aufgibst,
ich aber nicht.
Ich gebe nicht auf,
wie ich das kann,
beschwören dein Bild,
ich kann das.
Wie ich dich drängen will zu einer Antwort,
endlich, einer Antwort,
ach, Liebster, ich antwortete ja nie,
wie stumm, wie verstummt ich bin,
ist das nicht Liebe?


93. Liebe, Liebe, Liebe

Liebe, Liebe, Liebe,
wie ich,
wie immer,
alles beschwören will.
Liebe, Liebe, Liebe.
Wie ich dich gar nicht mehr sehen kann,
erträumen kaum,
existiertest du je?
Warst du einmal,
einmal nur mir?
Sagtest du jemals ein Wort?
Sagtest du Liebe?
Sagtest du überhaupt ein einziges Wort?
Sprachest du?
Ich kann dich rennen sehen,
ich sehe deinen Schmerz
und will nicht glauben,
daß alles, alles vorbei.
Wie ich alles versäumte,
wie stumm ich war,
wie gefangen ich war
in diesem öden Land,
das ich hasse und
verlassen kann nicht,
wie ich dich,
immer wieder,
beschwören will
und sagen,
es war doch Liebe,
war doch Liebe.
Wie du weggegangen bist von mir,
wie ich nichts mehr hören kann,
gar nichts,
es war doch Liebe.
Wie sicher ich bin,
es war doch Liebe.


94. Ich hörte diese gemessene Musik unter tausend Menschen

Heute dachte ich,
ich saß da und hörte eine gemessene Musik,
es ist schändlich,
dachte ich,
ich hänge an einem schändlichen Objekt der Begierde.
Mich umgaben tausend Menschen,
du kamst mir, wie immer, in den Sinn.
Hatte ich nicht erneut gelesen von dir,
hattest du nicht noch einmal mir seltsame Worte geschickt,
die ich nicht verstehen konnte?
Seltsame Worte.
Sie waren auch, wie immer, nicht an mich gerichtet,
nicht an mich allein,
oder doch?
Es waren die alten, wirren Worte,
wem galten sie?
Wollte ich auch nur ein einziges Wort noch hören?
Ich will nicht verschweigen,
ich lächelte.
Unter diesen tausend Menschen lächelte ich plötzlich,
denn das warst du,
der sich hinschob vor mich.
Ich sah dich vor mir,
wie du sein hättest können.
Ja, ich träumte von dir,
ich träumte lange.
Wer bist du?
Du bist
dieses schändliche Objekt meiner Begierde.
Wie sicher du mich machen kannst,
wie ich mich schäme dafür,
für dich, für mich.
Wie ich noch einmal verstand,
daß du bist
wie ich,
niemals begäbest du dich unter diese tausend Menschen,
hier kann ich dich nicht finden,
wie ich da saß, und diese gemessene Musik hörte,
die nicht meine war,
wie ich mich festhielt an dir,
deinen verwirrten Worten,
die mich suchten,
wie verzweifelt du bist,
wie schrecklich ich bin,
daß kein einziges Wort mir einfällt,
daß ich dir schicken könnte
und dabei mich verbeiße an dir,
ist das nicht Liebe?


95. Wie laut ich alles will

Es war nicht unsere Musik,
es war alles so leise und fremd,
wie ich mich schämen muß,
wie laut ich alles will
und schreien will nach dir,
wie verwirrt ich bin,
wie ich gar nichts weiß von dieser
gemessenen Musik,
wie sie mich langweilt,
wie ich machen muß,
daß du dich vor mich schiebst,
wie ich versinken will,
wie ich träumte und träumte,
ich sähe dich.


96. Warum nicht?

Ach, ich verliere,
ich verliere dich
in diesen Zeichen,
die niemals meinten mich.
Wie ich mich klammern will an diese,
an dieses Nichts, dieses Gar-Nichts,
wie ich hören kann
dein Andrängen, deine Angst,
deine Vorsicht, dein Wissen.
Wie verloren du bist,
wie du gingest,
ich weiß, daß du gegangen bist,
ich weiß ja, wo du bist,
teiltest du mir nicht immer wieder mit,
wo du nun zu erreichen bist,
hofftest du nicht auf mich,
eine Nachricht von mir,
von der du wusstest,
du wusstest das,
daß ich sie niemals senden würde,
niemals.
Warum nicht?
Warum nicht?
Weil ich gar nicht da bin,
Liebster, ich bin gar nicht da.
Ich bin untergegangen in dieser Scham,
ich darf nicht leben,
ich will nicht,
ich muß sein die Enttäuscherin,
die dich ruft in der Nacht und nicht leben kann.
Wie ich dich treffen will in der Nacht,
das kannst du ahnen,
du weißt ja alles,
du kennst dieses öde Land,
das uns umfängt,
diese Dunkelheit, diese Angst, diese Scham.
Ist das nicht Liebe?


97. Dieses schändliche Objekt meiner Begierde

Wie ich beschwören muß,
dich,
dieses schändliche Objekt meiner Begierde,
wie du mich beschämst,
wie du,
der letzte, der mich haben will,
dieses schändliche Objekt meiner Begierde bist,
wie alles erlischt,
aller Glanz,
wie ich nur haben will und muß.


98. War vorbei

Wie ich ihn setzen will,
diesen einsamen Glanz,
um zu entrinnen dir.
Einmal fasste ich dich an,
einmal berührtest du mich.
Es war Liebe.
Wir wussten nichts und träumten,
wir träumten lange,
dann war alles vorbei.
Kaum nahmen wir wahr,
war alles vorbei,
war vorbei,
war schon lange, lange vorbei.
Wie wir aufhören konnten nicht
zu träumen,
wie vergeblich alles war,
wie entrückt,
wie schrecklich wir uns schämten,
nichts hatte Bestand vor dieser Scham,
auch nicht
unser Wunsch
dieses,
dieses eine Mal
zu leben.
Sie, die dich zu töten trachtete,
ich denke so oft an sie,
ich denke an dich,
wie du rennen musstest
und dachtest,
da wäre ein Ziel,
da wäre ich.
Bin ich vermessen,
dies alles wissen zu wollen?
Ich weiß gar nichts,
gedachtest du jemals meiner?
Ach, ich weiß schon,
du hofftest,
du schicktest mir diese seltsamen Zeichen,
du hofftest.
Ich hoffe auf dich.


99. Du kamst gar nicht vor

Niemals aber
erwähnte ich dich,
du kamst gar nicht vor,
dich hatte ich vergessen,
Wie du mir abhanden gekommen warst,
du,
meine allergrößte Liebe,
für die ich einmal alles, alles,
was mir wichtig war,
verlassen hatte.
Für dich wäre ich gestorben,
verhungert und ertrunken,
es ist so unermesslich lange vorbei,
wie flach alles geworden ist,
zu erinnern kaum.
Wir leben noch,
ist das nicht Liebe?
Wie wir überstehen konnten alles,
wie klein wir plötzlich waren,
wie wir nicht mehr berühren konnten einander.
Wie fremd einander wir wurden,
wir hatten uns ja nie gekannt
außer in dieser wilden Berührung unserer Körper,
die verstummte,
uns zurückließ, allein, so allein,
wäre da nicht gewesen
sie, unsere Tochter,
die ein Lied uns sang.
Wie wir alles vergaßen,
unsere Wünsche, unsere Leidenschaft,
wie wir erkalteten,
erinnern konnten nicht.
Wie wir verloren diese Liebe,
die groß gewesen war, so groß,
daß ich einmal
lieber gestorben wäre,
als dich zu verlieren.
War das nicht einmal Liebe?
War das nicht Liebe,
wie ich dich ansah und nicht aufhören konnte damit?
Ach, wie bald schon ich mich zwang,
wie ich alles verlor und nicht halten konnte,
wie ich mich wandte in meinem Wunsch
alles Verlorene wiederzuerlangen,
wie ich dich verlor,
der du fast gestorben wärest.
Ich konnte nicht, ich konnte nicht.
Dann aber lebtest du
und du gabest mir dieses Kind,
ein anderes konnte ich niemals empfangen,
ach, wie ich träumte,
von diesen Kindern,
es verstörte mich,
nur dieses, dieses eine,
war mein Kind, es war deines.
War das nicht Liebe?


100. Mein hundertster Versuch

Niemals hatte ich gedacht,
niemals geglaubt,
so alt zu werden, so alt,
daß ich einmal sagen könnte:
Es ist nun mein hundertster Versuch
zu bestehen,
etwas zu beschreiben, was ich niemals verstand.
Das bist du Mutter,
die ich nicht aufhören kann zu suchen.
Gibt es irgend etwas außer deinem Tod?
Danach suchte ich immer.
Ich fand diese Männer,
sie suchten mich,
wie du es niemals tatest,
Mutter, du entschwandest.
Ich konnte mich nicht trösten,
ich durchwanderte eisige, öde Länder.
Immer suchte ich zu verführen alle,
die mir begegneten,
Mutter, wie ich schrie nach dir.
Wie ich mich verbog und lächelte,
wie schrecklich ich lächeln,
die Leier spielen konnte.
Wie ich tausend Jahre alt war
und bleiben musste dieses Kind,
das dich suchte
in diesen Männern,
die missbrauchten mich,
die missbrauchte ich.
Wie diesem letzten,
diesem schändlichen Objekt meiner nie verlöschenden Begierde
ich anhing,
wie ich dich suchte, Mutter,
wie ich alt werden kann nicht,
das bist du Mutter,
die ich bewahren muß in meiner Suche,
meiner Begierde, die,
ich kann es nicht verstehen,
niemals erlöscht,
ich kann nicht erlöschen und sterben,
Mutter, wie ich dich suche.
Was würdest du sagen zu mir,
sag mir ein Wort.
Soll ich aufhören, erlöschen,
Mutter, ich kann nicht,
ist das nicht Liebe?
Mutter, darf ich lieben,
darf ich mich hängen an all die schändlichen Objekte meiner Begierde?
Darf ich leben?
Wie seltsam es ist,
dich das zu fragen,
dich,
die ich überlebte um tausend Jahre,
wie mich das beschämt,
wie ich sterben will
und anhängen nicht den schändlichen Objekten meiner Begierde.
Mutter, sag mir ein Wort.


101. Wir werden überleben

Wir, Liebster, wir werden überleben.
Auch das einhunderteinste Nachdenken
werden überstehen wir.
Weißt du,
wir werden aufhören zu zählen.
Wir werden dieses öde Land verlassen.
Wir werden uns einmal, dereinst, lieben.
Wir werden nicht sterben,
sie werden uns töten nicht.
Wie wir lachen können über alles,
wie wir zurücklassen werden alles,
alles.
Sie werden uns holen nicht,
wir werden nicht sterben vor Scham.


102. Ich dachte tausend Jahre nach

Wie ich dachte und dachte,
ich verstand dich nicht,
wie kryptisch deine Worte waren,
ich dachte tausend Jahre nach,
dann wusste ich:
Du gingest unter,
du warst gar nicht mehr da,
du verzweifeltest,
du sandtest mit diese Gedichte,
die niemand, niemand,
außer mir, zu lesen vermag,
das weißt du,
so allein, wie du bist,
so allein wie ich.
Da war nichts mehr,
so teiltest du mir mit,
kein Himmel, kein Entrinnen,
ein Entkommen nicht.
Ich habe solche Angst,
wie ich dich aufhalten will,
ich will und will nicht
noch einmal den Tod,
ich will nicht,
ich will dich halten und schuldig werden nicht.
Kannst du mich nicht mehr hören
in der Nacht?
Du hörtest mich doch immer,
alles wusstest du,
du darfst nicht gehen,
Liebster,
wir werden bestehen,
wie ich dich beschwören muß,
bleib bei mir,
der Enttäuscherin,
die so viele Lieder weiß,
du ahnst es nicht,
wie ich singen kann dir,
du musst bleiben,
du darfst nicht gehen.
Gingest du,
gingest auch du,
ich weiß nicht, ich weiß nicht,
einmal muß auch ich sterben
und tot sein für immer,
ich will ja nicht.


103. Dieses Gespenst

Dieses Gespenst,
das ich beschwören muß,
weil,
ich will ja nicht sterben.
In der Nacht kann ich dich sehen,
dich,
du bist kaum noch da für mich.
Wie recht du hattest,
zu fliehen.
Vergaßest du die Liebe,
vergaßest du alles?
Wie ich dich immer noch sehen kann,
seltsam, vereist,
in allen Nächten stehst du vor mir
und sprichst von Liebe,
das bist doch du,
wen sonst könnte ich sehen und empfangen
in dieser Weise?
Das musst du sein, Liebster,
kannst du nicht mehr glauben,
daß wir uns einmal wiedersehen,
bist du das,
der nun auch
mir verlorenging?
Muß ich sterben?
Kannst nur du mich am Leben halten?
Muß ich wirklich sterben?
Ist alles vorbei?
Ist dies alles,
weil ich es niemals vermochte
zu sprechen ein Wort?
Aber du, du hörtest mich doch,
du hörtest mich immer,
du ließest mich die Leier spielen
und die Enttäuscherin sein,
wie kann es sein,
daß alles nun dir genügt und du Abschied nehmen willst?
Wird gar nichts bleiben?
Vermochten auch wir, Liebster, auch wir,
es nicht, alles zu halten, was vorbei und vergangen war?
Ach, sei noch ein einziges mal,
was du versprachest.
Kann ich das versprechen,
wie ich mich danach sehne,
endlich, endlich,
dir eine Antwort zu schicken?
Wie ich alles versäumte
und versäumen musste,
ach, wie ich warte auf dich.


104. Ein einziges Mal nur

Weißt du das,
ich denke jede Nacht an dich,
wie schrecklich und seltsam,
daß ich ohne dich nicht überleben kann,
wie ich dich,
der du mich zwingen wolltest,
nun zwingen will,
wie ich die Leier nicht mehr spielen kann,
ich kann nicht,
Liebster, ich kann nicht.
Mache du,
daß du vor mir stehst,
du musst auch nicht sprechen ein einziges Wort.
Ich träumte,
ich sähe dich,
ganz plötzlich,
wir fielen uns in die Arme und küssten uns.
Kann einmal nicht sein,
wovon wir träumen mussten und träumen?
Kann nicht sein,
einmal, ein einziges mal,
wovor wir uns fürchteten,
ein einziges mal nur,
müssen wir sterben und untergehen,
sprich du zu mir,
Liebster, sprich.
Ich weiß das, du willst nicht,
wie du vergessen kannst,
ich kann das nicht,
wie ich mich sehne nach dir,
den ich zu machen trachtete
zum schändlichen Objekt meiner Begierde.
Aber,
es war doch Liebe,
war doch Liebe,
Liebe.


105. Verließen wir einmal dieses öde Land und sprachen von Liebe?

Ich vergesse alle,
wie langsam die Zeit sich bewegt,
in der ich immer ahnen konnte,
dich.
Wie fleissig ich bin,
wie bemüht,
zu vergessen,
wie ich das kann,
dich machen zu diesem schändlichen Objekt meiner Begierde,
wie wir uns verließen.
Waren das nicht wir,
die einmal verließen dieses öde Land
und sprachen von Liebe,
wir sprachen ja nicht,
niemals durften wir wissen,
was wir ersehnten.
Aber es war doch so,
einmal erkannten wir uns,
damals,
bevor wir uns verloren,
damals war alles Liebe,
damals war Sehnen.
Ich habe Angst,
ich habe schreckliche Angst
vor deinem Tod,
wie verzweifelt du bist,
ich wollte nicht,
aber ich konnte es hören.
Sollte ich nicht einmal,
einmal liegen bei dir,
und aufhören die Leierspielerin, die Enttäuscherin zu sein.
Soll nicht einmal, ein einziges mal,
alles sein?
Ich will nicht deinen Tod.


106. Begannest du noch einmal?

Wie oft ich dich zu finden trachtete,
dich,
der du einmal mich suchtest und vergaßest.
Du weißt das,
tötestet du dich,
ich ginge unter,
du darfst nicht,
darfst nicht untergehen,
Wen du besuchen magst,
ich denke und denke,
das bin nicht ich,
wer ist das,
den du besuchen magst?
Gingest du,
wie ich vermeinte,
zurück zu ihr?
Begannest du noch einmal,
was keinen Bestand haben kann,
was dich töten und auslöschen wird?
Vergaßest du mich,
du weißt,
ein Jahr ist alles her,
ein Jahr,
vor einem Jahr,
alles begann.
Damals träumten wir,
wir träumten,
wir verließen dieses, du weißt es,
dieses öde, kalte Land,
das uns umfängt und umfängt,
das wir nicht verlassen können,
weil wir uns so fürchten und schämen,
daß wir lieber sterben,
als zu leben.
Wie ich dich anrufen will,
Liebster,
und manchmal denken muß,
daß du tot bist,
daß ich das war,
die dich tötete,
sag mir ein einziges Wort.


107. Vor einem Jahr

Es ist wie für immer,
dieses Jahr,
warst du jemals da,
existiertest du,
ja niemals für mich,
wie ich mich fürchten muß,
deinen Tod ahnen kann,
oder ist es meiner,
wie wir uns vermischten
und untergingen,
wie wir einsam,
hatten wir das nicht Jahrhunderte lang getan,
durch das Leben schwammen,
wie waren nicht und werden nicht sein.
Ach, es war ja Liebe,
wie sicher ich das weiß,
einmal sprachen wir,
ohne es zu wissen,
von Liebe.
Wir suchten uns,
wir verloren alles,
wir entschwanden einander
und fürchteten uns.
Für dich betrinke ich mich
in allen Nächten,
weil ich das weiß,
wir werden niemals leben,
wir werden sterben müssen,
wie ich mich fürchten muß und sterben,
nicht atmen kann,
ich kann nicht atmen ohne dich,
weißt du das nicht?
Ich kann nicht
warten
noch einmal ein Jahr
und weiß so sicher,
daß du mich vergessen hast in deinem Haß,
meiner Antwortlosigkeit,
es ist alles vorbei,
laß mich träumen,
ich will nicht untergehen,
aber,
wollte ich,
wollte ich jemals dich?
Was soll ich sagen?
Du warst mir nie,
du warst nicht,
warst du je?
Ich weiß es nicht,
du warst,
ich weiß es ja,
dieses schändliche Objekt meiner Begierde,
einmal, einmal warst du.


108. Meine alten Gedanken

Alles trachtete zu vergessen
ich.
Ich kann und kann nicht ertragen
die Zeit,
die vergeht,
wie du einmal ansahest mich.
Verborgen und versteckt
in dieser Kemnate,
die ich nicht mehr verlassen werde,
zieht vorbei an mir
alles,
dieser Film deiner Gegenwart,
meines Fliehens und Beschwörens,
dieser Film meines Flehens,
deines mich Bedrängens,
von dem ich einmal
träumte,
dieser Film von allem,
was nicht und niemals war,
ich will nicht weinen,
wie ich warten muß auf dich und sterben,
wie ich dir sagen will,
Adieu.


109. Wirst du dich werfen vor einen fahrenden Zug?

Auch heute,
ich beschwor dich,
sprachest du kein Wort.
Wie kannst du schweigen in dieser Zeit?
Wohin verlor ich dich?
Mir graut,
werde ich jemals wissen,
wo du bist, ob du überhaupt noch lebst?
Niemals teilte ich mit dir
das Leben,
stets bedachte,
musste bedenken dich.
Und ich weiß,
ich weiß ja,
du bist so nahe am Tod.
Wirst du dich werfen vor einen fahrenden Zug,
wie er,
der einmal mich erkannte,
es tat?
Wie ich schweigen muß,
wie den Tod ich machen muß,
wie ich nichts verhindern kann,
wie schrecklich,
wie grausam ich bin.
Aber,
Liebster,
ist es nicht so,
...ich erträumte dich ja nur,
lebtest du je...
was dachtest du über mich,
wer war ich für dich,
wie ich dich fragen muß,
was meine Mutter mir stets mit Schweigen,
mit ihrem Tod beantworten musste.
Immer dachte ich:
War sie, war sie jemals gewesen?
Sie verließ mich so stumm wie du,
als wäre nichts gewesen
und ich war so allein.
Einmal, einmal
will ich eine Antwort,
einmal will ich hören,
daß ich da war,
daß ihr mich sahet,
ich sah euch ja nicht,
siehst du,
deshalb gingest du,
ich konnte dich ja nicht sehen.
Wie du mich zum Zeugen machtest
deines Untergehens,
wie du,
so träumte ich,
einmal mit mir hattest verlassen wollen dieses öde Land
und sagen,
daß es Liebe war,
daß wir etwas von einander hatten sehen können,
was zuvor noch keiner gesehen hatte,
etwas,
was dereinst wir leben wollten.
Nun aber ist diese Zeit gekommen,
in der ich nicht mehr leben kann ohne dich,
deine Antwort,
ich kann das fühlen,
daß alles zu spät,
daß alles zu lange dauerte,
wir konnten nicht,
wir konnten nicht mehr leben,
überleben nicht,
wie ich dich sehen kann immer,
dabei bist du schon so weit weg von mir,
du weißt gar nicht mehr,
daß ich einmal war,
Liebster, du gingest,
niemals wirst du wissen können,
daß da einmal ich war,
die dich liebte,
es war alles, alles zu spät.
Du warst schon tot,
als ich dich zu berühren trachtete
Aber einmal waren wir doch,
es war doch Liebe,
es muß Liebe gewesen sein
in der wir untergingen,
nicht mehr atmen konnten,
nicht mehr sprechen,
alles war plötzlich vorbei,
wir konnten es niemals mehr finden
und fragten,
unablässig,
ob es Liebe war.


110. Ich bin die Beschwörerin

Wer, außer mir fragte?
Ach, ich täusche mich und will mich täuschen.
Ich will träumen von dir,
der ein einziges Wort
so unvermutet sprach
und entschwand.
Ich kann dieses Wort kaum hören,
was war es, war es, war es
Liebe?
Und falls du jemals
gesprochen haben solltest
von Liebe,
du hieltest nicht fest.
Wie kann ich das wissen?
Was weiß ich von dir?
Träumst du nicht von mir,
wie von dir ich träumen muß,
verstummt wie ich und träumend.
Ich weiß nicht, ich weiß nicht.
Wir, die wir einmal
flüchtig uns berührten,
von uns kann ich ablassen nicht,
von diesen nie gesprochenen Worten,
diesem einmal und alles,
diesem Versprechen,
von dem ich dachte,
daß wir es uns gegeben hätten,
hatten wir?
Wie alles sich verwirrt
und ich nicht mehr weiß,
warest du je,
lebtest du,
sprachest du,
warest du für mich?
Und wie ich dich fragen will,
von dem ich vermeinte,
er hörte mich in meinen Nächten:
Wohin bist gegangen du,
daß du nicht mehr hören kannst mich?
Liebster, es darf und darf nicht sein,
daß alles aufhört,
es darf und darf nicht sein.
Ich bin, ich bin die Beschwörerin.
Ich werde machen, daß du leben kannst,
du wirst nicht sterben.
Ich werde anhalten meinen Lauf
und erhören dich.


111. Erstarrt in ihrem Gestus

Wie Sie,
wirst du sprechen nicht,
der Beschwörerin,
der alten Enttäuscherin, der Verführerin und Leierspielerin.
Wie sie erstarrt im Gestus
ihres Beschwörens,
der sagen will:
Ich will nicht sterben
und niemals aufhören kann
zu rufen dich,
den ich meinte nicht
und liebte,
weil er mir einmal versprach,
daß da Liebe war.
Der Enttäuscher,
der mich beschwor und beschwor,
erinnerte mich,
so leise,
an dich,
Mutter,
immer an dich.


112. Was ich niemals verstand

Wird einmal,
einmal die Zeit kommen,
in der nichts mehr sein wird,
will ich sie,
ich will sie ja nicht beschwören,
wie ihr bemerkt,
ich muß ja immer beschwören alles,
das Nichts,
dieses Gar-Nichts,
dieses Nicht-Gewesen,
wie ich mich winden muß
und nicht sterben will,
als sei da immer
etwas,
soviel,
was ich niemals verstand
und verstehen müsste,
von dem ich ahne,
ich kann es nicht,
es sei denn,
du,
du riefest mich noch ein einziges mal.


113. Laß mich atmen

Laß mich atmen,
denken an dich.
Laß mich ein einziges mal noch Atem holen
und deiner gedenken.
Laß mich ein einziges mal
noch sehen dich,
dich hören,
lieben.
Laß mich ein einziges mal noch
von Liebe sprechen,
laß mich nicht zurück und sterben
in diesem öden Land,
daß zu verlassen ich meinte,
als ich dich zu lieben begann,
dich,
den Beschwörer,
den Leierspieler,
den Enttäuscher,
den,
der alles weiß und leben kann,
er konnte ja nicht.


114. Laß mich beschwören deine Gestalt

Was soll ich sagen,
einmal liebte ich dich,
den ich kaum zu erkennen,
zu sehen vermeinte,
es war aber so,
alles war Liebe
und niemals wollte ich untergehen,
weil,
da warst du,
den ich sehen konnte,
erwarten,
erhoffen,
immer,
es war doch Liebe,
laß mich, laß mich
alles beschwören und untergehen nicht,
laß mich beschwören
deine Gestalt,
die ich lange lieben konnte nicht,
weil, weil,
ich denen anhing,
die mir einmal versprochen hatten,
dazusein und entschwanden mir,
wie sie mir dich,
dich mir überließen,
diesem schändlichen Objekt meiner Begierde,
wie ich hungerte nach dir.


115. Einmal, dereinst

Ach, Liebster,
wir werden verhungern in diesem öden Land.
Nie mehr werden wir glauben,
daß da Liebe war,
alles wird vergehen und vorbeisein,
wie ich es hassen muß,
daß einmal, dereinst,
nichts, gar nichts mehr sein wird.
Liebte ich dich nicht genug?
Verstand ich niemals dein Untergehen,
verließ ich dich nicht immer,
immer?
Ach, wie ich hungern muß nach dir,
deinem Bild,
das mich begleitet
in allen Nächten,
Liebster,
wie ich träumen muß von dir
und dich verliere und denken muß,
einmal, einmal liebte ich dich
und fuhr hinweg über alle,
die mich beschämten,
weil,
weil,
das warst du,
dieses mich beschämende Objekt meiner Begierde,
das warst du,
und sonst vermochte ich keinen mehr zu gebrauchen.


116. Ich drohte zu weinen

Wieder saß ich unter tausend Menschen,
dieses mal hörte ich keine gemessene Musik.
Ich drohte zu weinen und kämpfte mit meinen Tränen,
die ich nicht wollte,
nicht wollte
und niederhielt.
Wo warst du?
Es war alles so laut.
Auch dieses mal bliebest du fern von mir.
Ich werde dich nicht mehr finden,
wo,
wo soll ich dich noch suchen?
Ich will ja nicht weinen
und vergessen diese kleine Melodie,
die mich sucht und sucht,
von der ich einmal wähnte,
du sängest sie mir,
von der ich einmal glaubte,
sie wäre für immer,
weil ich mich belügen musste
über die Endlichkeit.
Bist du, bist auch du wirklich tot,
gegangen für immer?
Vergaßest du nicht nur mich,
sondern auch dich und deine Kinder,
warfest auch du dich vor einen fahrenden Zug?
Ich will schreien:
Es kann nicht sein.
Du nicht, du nicht.
Vielleicht, vielleicht auch
sitzt du in einem warmen, stickigen Zimmer
und gibst ihr die Hand und deinen Kindern
und ich darf nicht mehr sein und stören und singen und hoffen.
Ich muß sagen Adieu.


117. Ich werde zufrieden sein, dich am Leben zu wissen

Es kann und kann nicht sein.
Willst du denn sterben,
diese giftige Luft atmen und atmen,
willst du untergehen?
Wäre dies möglich,
Liebster,
ich ginge zum entferntesten Ort dieser Welt,
um dich zu retten.
Du musst ja nicht,
du musst mir nicht singen,
du darfst ruhig sein und sicher,
es beruhigt mich so sehr,
wenn ich dich lebend weiß.
Wie ich deine Angst fühlen kann,
vor mir,
der Leierspielerin und Enttäuscherin,
du musst ja nicht,
du darfst ruhig sein,
verlassen mich.
Ich, die ich einmal so sehr dich liebte
werde zufrieden sein
dich am Leben zu wissen.
Alles wird mir genügen,
dein überleben,
dein Am-leben-Sein.
Mehr kann und will ich nicht mehr verlangen
von dir,
der mir einmal erschienen war als mein verrückter Erlöser.
Du musst ja nicht,
glaube mir,
ich werde mit allem zufrieden sein,
wie ich fürchte deinen Tod.
Sag mir,
daß ich niemals in der Zeitung lesen muß,
daß du gestorben bist,
niemals mehr will ich solche Nachricht empfangen.
Auf alles werde ich verzichten,
wie ich schon sagte,
meine Kemnate nicht mehr verlassen,
nie wieder werde ich durch die Straßen rennen,
um dich zu treffen,
ich verspreche es.
Ich kann das,
einmal,
einmal die Erlöserin sein,
es aushalten,
dich zu sehen mit ihr und deinen Kindern,
dich in dieser stickigen, vergifteten Luft,
die besser ist als alles,
was ich dir bieten könnte.
Denn was eigentlich wäre das?
Ich weiß nicht, ich weiß nicht.
Ich ahne, wir können niemals,
wie wir einmal träumten,
verlassen dieses öde Land.
Es gibt nur,
gibt nur
dieses uns als öd erscheinende Land,
das wir fliehen müssen,
weil es uns einmal schien,
als könnten wir dereinst glücklich sein,
verlassen diese vergiftete Luft und leben.
Wie wir uns täuschten.
Wir täuschten uns immer,
wir können nicht,
wie wir uns zu trösten versuchen im überleben,
ach, wir scheiterten.
Hilf mir,
nicht noch einmal zu sagen,
daß ich träumen muß,
träumen von dir.
Sag mir,
daß ich dich bedenken darf,
ich will dich ja nicht stören in deinem Lauf,
ich werde ganz still sein,
du wirst gar nicht mehr sein,
nur so ein kleines Bild,
das einmal groß war und verlöschen musste,
aber ist es nicht so,
es war,
einmal war es?


118. Wieder und wieder musste ich lächeln

Das neue Jahr brach also an,
ich konnte nicht aufhören
zu denken an dich,
beschwor ich dich?
Wusste ich nicht alles,
wusste ich nicht,
dass,
was zu beschwören ich trachtete,
keinen Bestand hatte,
nicht weil du nicht antworten wolltest,
und du antwortest nicht mehr,
nein, weil ich verstummen musste,
weil ich tot war,
seit du mir begegnetest,
weil ich niemals eine Antwort wusste,
dich nicht begehren durfte,
dich machen musste zu diesem schändlichen Objekt meiner Begierde.
Ich saß wieder und wieder
unter tausenden von Menschen
und hörte diese zerstörerische Melodie,
der ich anhing,
anhängen musste,
wieder und wieder musste ich lächeln,
konnte atmen, dich erkennen und lieben
in dieser einsamen, verlorenen, mir verbliebenen Weise.
Wie ich Atem holen konnte,
manchmal lachte ich laut
und gedachte der Lieder,
die ich einmal dir sang.
In meinem Atmen sang ich noch einmal alles,
immer wieder.
Es ist auch gar nicht wahr,
dass nichts bleiben wird.
Da bleibst du,
der mich atmen lässt,
und seiest du auch dieses schändliche Objekt meiner Begierde,
von dem ich einmal geträumt hatte es verließe mit mir
diese öden Räume, diese schreckliche Kemnate meines Verlorenseins.
Es war doch,
war doch Liebe.
Was sonst sollte vermuten, wähnen ich?
War es nicht so,
einmal liebtest du mich,
einmal konnten wir vergessen alle,
die uns beschämten,
einmal waren wir,
waren wir?


119. Mach mich nicht alt und tot

Werde ich noch einmal rennen,
muß ich sterben,
aufhören für immer, war alles,
was du sahest
ein Trugbild,
war ich das?
Werde ich stillstehen müssen?
Ich will nicht,
wie ich laufen will zu dir,
der du mich einmal träumen konntest,
ein einziges mal.
Mach mich nicht alt und tot
und vergangen für immer,
ich will ja nicht,
aber,
ist es nicht so,
niemals werde ich,
die ich renne und renne,
rennen zu dir?


120. Meine Kemnate, dieses öde Land

Immer will ich fragen warum,
ich verstehe ja nicht,
ich bin so,
daß ich nichts verstehen kann
und fragen muß,
wieder und wieder.
Einmal begegneten wir uns,
konnten sehen, hören,
atmen.
Einmal waren wir sicher
und lebten,
glaubten zu leben.
Ich will schreien:
Wie sie, wie etwas in dir dich zerstörte
in einer Weise,
die fern war von mir,
denn ich,
glaube mir,
ich wollte verlassen mit dir
meine Kemnate, dieses öde Land,
einmal wollte ich sehen dich
und leben,
ein einziges mal entrinnen,
so dachte ich immer,
liegen bei dir,
mich vermischen mit dir,
dem schändlichen Objekt meiner Begierde,
zu dem sie und du dich machten,
denn ich,
ich wollte,
ich wollte einfach nur liegen bei dir,
ich schwöre dir, Liebster,
das war nicht ich,
die alles verhinderte,
das war gar nicht ich,
die dich machte zu diesem schändlichen Objekt meiner Begierde.
Ich wollte doch immer
einfach
leben,
liegen bei dir,
ach, wie ich träumen muß,
du kommst ja nicht und sagst,
daß alles gut und du bei mir.
Wie ich dich hören kann,
wie du mir sprichst in der Nacht,
wie du mir sagst,
gar nichts sagst,
wie du schweigst,
mir verloren kamst,
auch du,
ich will nicht,
ich will nicht die gewesen sein,
die ich immer war.


121. Dass ich liegen will bei dir

Siehst du,
ich kann das ja,
da sein.
Was hast du aus mir gemacht,
die ich meine Kemnate,
die ich einmal,
früh erwählt,
nicht mehr verlassen wollte?
Wie machtest du mich deinen Zeichen lauschen
und lauschen.
Wie du das machen konntest und machst,
dass da Liebe ist,
daß ich liegen will bei dir,
und sagen ja oder nein,
etwas sagen,
verstummen nicht,
Liebster,
ich will ja sprechen,
die Angst,
dieses öde Land verlassen,
bei dir sein,
noch einmal,
bitte, ein einziges mal noch.


122. So sehr du verstummen magst

So sehr du verstummen magst,
stehe ich auf und lebe,
seltsam,
wie du besiegen kannst meine Angst
in deiner Antwortlosigkeit.
Ich gehe und gehe,
hörte ich einmal dich,
etwas?
Könntest,
ach, könntest du mich sehen.
Wie ich dich immer wieder sehen kann,
das bist doch du,
immer noch du,
von wem sonst wohl träumte ich,
er sähe mich in dieser Dunkelheit,
bist du das Mutter,
die mich hält und nicht gehen lässt?


123. Dereinst

Ich habe Angst,
jetzt, wo alles sich vollenden wird,
ich über etwas schrieb,
das immer andrängte in mir
und dass ich doch nicht verstehen kann.
Wie soll ich das wissen,
warst du das, Mutter,
du, meine Tochter,
oder warst das auch du,
der,
so schien es mir,
mich einmal meinte,
warst immer wieder das du?
Mein ferner Erlöser,
der nicht sprach,
sprechen konnte nicht,
der,
vor dem ich immer verstummen musste,
und träumen,
wie ich es immer weiter tue,
dereinst, dereinst
werden wir alles verstehen,
was uns abhielt,
vielleicht werden wir einmal weinen.
Was sich vollendete,
gehörte,
es gehört auch zu dir.
Es ist diese laute,
nicht gemessene Musik,
in der ich dich manchmal zu finden hoffte,
von dem ich nicht einmal weiss,
ob er noch am Leben ist.


124. Lasst mich sein

Ich werde nicht gehen,
aufhören nicht,
lasst mich sein.
Ich werde,
ihr werdet es nicht glauben,
noch einmal beginnen.
Ich werde verlassen diese vergiftete Luft
und atmen.
Ich muss mich auch nicht verabschieden,
von niemandem werde verabschieden ich mich,
ich werde mitnehmen alle,
die mir wichtig sind,
das bis du, Mutter,
du, meine Tochter
und das bist du,
dieses obskure Objekt meiner Begierde,
das ich beschwören muss,
aufgeben will nicht.
Ach, lass mich träumen von dir,
dir begegnen, dann, wenn der Schnee fällt,
wenn der Morgen anbricht,
ich nicht schlafen kann,
und dich bedenken muss
nach einer endlosen Nacht.
Lass mich fortfahren.
Wer sagt,
dass ich die Leier spielen muss?


125. Wirst du kommen und feiern mit mir?

Wie ihr mich ansehen werdet,
wie ich versinke in Scham.
Was wird sein?
Wird einer von euch
mir sagen, dass ich leben darf?
Werdet ihr alle euch verbünden
in eurem Nein,
das ich heraufbeschwören muss in meiner Angst?
Werde ich bestehen und leben können
oder untergehen,
wirst du mich hören
und sagen,
dass ich sein darf?
Wirst du kommen und feiern mit mir?
Wird jemals einer
mir sagen,
dass Bestand hat,
was ich ersehnte und erschuf,
erschaffen musste,
um zu überleben?
Wird da einmal,
dereinst,
diese Liebe sein,
lasst es mich Liebe nennen.
Werde ich ein einziges mal liegen bei dir,
dies wagen,
meine Kemnate verlassen,
dieses öde Land,
in dem ich von Liebe zu träumen begann?
Wird einmal alles richtig sein,
nicht erträumt und ersehnt,
sondern wirklich und unauslöschlich,
wirst du mich noch haben wollen,
dann, wenn ich bereit bin,
ich war es doch immer, immer.
Liebster,
wie ich dich fragen will:
Lebst du noch?
Wo bist du überhaupt?
Existierst du noch?
Träumst du noch von mir,
wie ich immer wieder vermeinte,
lebst du noch,
ich dachte doch immer,
dass einmal, einmal,
auch wir,
die wir uns schämten, als seien wir schon tot,
uns treffen könnten,
liegen beieinander
und überleben alles,
und singen.


126. Wie verwirrt und zermartert zu warst

Weil ich dir einmal sang,
nicht aufhören konnte zu singen,
drohe ich zu weinen,
wenn ich den Tönen lausche,
was mir selten geschieht,
ich lausche ja kaum.
Ich sah dich wieder, heute,
ich legte die Hand auf dein Haar,
denn ich konnte fühlen,
wie verwirrt und zermartert du warst,
ich empfand,
wie ich dich beruhigen konnte,
wie du weich und sanft wurdest,
der du hart und abgerissen warst,
wie mir schien,
dass ich das machen konnte,
Liebster,
dich beruhigen.
Du bist immer da,
als benötigte ich deinen Schmerz,
von dem ich weiß,
ich kann das,
ihn beruhigen,
du weißt ja,
es ist meiner.


127. Wohin ich wohl gehen soll

Wohin ich wohl gehen soll,
die ich diese Kemnate verließ,
wie ich schrie,
das war doch ich,
die zerfiel in diesem seltsamen Sehnen,
aber,
Liebster,
ich konnte dich nicht mehr sehen,
ich wusste nicht,
ich konnte nicht ahnen,
wohin du gegangen warst.
Unsere Zeit,
war sie wirklich vorbei?
Konnten wir atmen nicht?
Hatten wir alles versäumt,
geträumt und geträumt…
war alles nicht gewesen,
für immer vorbei?
War ich tatsächlich
durch diese öden Straßen gerannt,
in denen ich niemals
traf dich,
den ich hatte treffen wollen,
war es so?
War aller Glanz vorbei und Lüge?
Würde ich nie mehr rennen können,
weil da du warst,
den ich treffen wollte?
Ist wirklich alles vorbei?
Wie ich an dich denken muß,
Liebster,
wie du mich verlassen hast,
den ich einmal nennen musste
das obskure Objekt meiner Begierde.


128. Alles verlor ich

Der Fluss meiner Gedanken
kann abbrechen nicht
und bewegt sich fort und fort.
Dass er dich finden kann,
sag mir,
ist das so,
weil du da bist,
noch immer da bist und mich hören kannst?
Kann ich mit Mauern und Steinen sprechen
und alles verkennen?
Ich kann dich vor mir stehen sehen
in diesem kleinen Raum.
Du wolltest gar nicht gehen,
immer sahest du mich an,
als wolltest du bleiben für immer.
Ich aber,
ich fegte dich hinaus,
ich trieb dich und trieb,
wie ich mich fürchtete.
Immer wieder kamst du,
standest da und wolltest nicht gehen.
Auch als alles schon vorbei war
und ich wieder atmen konnte,
ich hielt ja die Luft an in deiner Gegenwart,
warst das du,
der mir diese wiederkehrenden Worte schickte.
Wovon sprachen diese Worte?
Ich will mich erinnern.
Siehst du,
jetzt bin ich das, die vor dir steht
und nicht gehen will.
Ich will nicht.
Ich will dich stehen sehen vor mir,
ich will die Worte,
die du mir einmal schicktest,
lesen und lesen
und glauben nicht,
dass ich nicht mehr da bin für dich.
Du aber ,
ich kann es ahnen,
du ließest ab
von diesem Traum,
dem du anhingest eine unermessliche Zeit,
Liebster, also war es nicht Liebe,
wie ich immer dachte,
es hatte keinen Bestand,
ach, wer weiß.
War es nicht Liebe
und hatte keinen Bestand?
Muss ich also aufhören,
dich zu bedenken,
vergessen dich?
Sag mir, wie das sein soll,
die ich träumen musste
in dieser unendlichen Zeit
von dem schändlichen Objekt meiner Begierde, das ich verlor,
auch dieses verlor ich,
alles verlor ich.
Wo bist du,
der,
dem ich Lieder singen musste,
warum dir, gerade dir,
wusste ich nicht immer,
dass du fern warst, so fern,
so zerstört und unerlöst,
so wartend,
wartend auf mich?
Liebster, vielleicht wird gar nichts bleiben,
wirklich gar nichts,
ich ahnte es ja immer
und hatte gesetzt auf dich,
meinen mich aus meiner Kemnate, diesem öden Land
Erlösenden,
und hatte doch immer gewusst,
es wird gar nichts bleiben,
da war diese Liebe, die nicht bleiben kann,
da war dieses Gar-Nichts,
Liebster, wir müssen sagen Adieu.


129. Schnee lag

Es war kalt,
auf den Stufen der Kirche lag Schnee.
Ich saß auf einer kargen Bank,
lange war ich gefahren,
wieder,
um eine Musik zu hören,
in der ich dich zu finden hoffte.
Es war nicht fern von dem Ort,
an dem du nun angegeben hattest zu leben.
Alle Plätze waren besetzt,
ich sah mich um und um,
warst du da?
Ich blickte in viele Gesichter,
die mir zu antworten schienen,
vor allem eines,
das warst aber nicht du.
Es war ein fremder Mann,
der mich ansah,
seltsam,
er konnte den Blick von mir nicht lösen,
ich fürchtete mich.
Warst du das,
den ich nicht erkennen konnte?
Warst da irgendwo du?
Aber, Liebster,
es war ja nicht unsere Musik,
alles war fremd und ich dachte wieder an dich,
der nicht da war,
der niemals mehr da war,
wenn ich ihn zu brauchen vermochte.
Ich fühlte die Kälte hochsteigen in mir,
ich empfand den brennenden Blick dieses fremden Mannes,
den ich nicht erwidern wollte,
denn da warst ja du,
den ich erwartete,
Liebster, wo warst du?


130. Dein Körper

In der Nacht kam das Fieber
und umhüllte mich.
Ich sah dich vor mir stehen,
so wie du einmal wirklich vor mir standest.
Einen Moment lang warst du da,
sahest mich an,
legtest die Hand auf mein Haar
und liebtest mich.
Ich hielt dich fest,
dein Körper an meinen gepresst.
Am Morgen dachte ich: Sein Körper,
was weiß ich von seinem Körper,
den ich kaum je berührt hatte,
wie fremd er mir war,
wie ängstigend sein Dasein.
Wie ich ihn geflohen war,
die flüchtigste Berührung noch geflohen war
in blankem Entsetzen.
Wie ich aufgeschrien hatte,
als du mich zu berühren trachtetest.
Und es war doch dieser fremde Körper,
dieses schändliche Objekt meiner Begierde allein,
an das ich anklammerte mich,
dessen Lebendigsein und Sehnen nach mir.
Und so schien es mir,
in dieser Nacht nach der eisigen Kirche,
in der du nicht warst,
in diesem Fieber,
das mich überfiel,
als ich den Schlaf nicht finden konnte,
als könne ich nun
verlassen meine Kemnate,
dieses öde Land,
deinen Körper berühren,
festhalten dich.
Wie du einmal sehen wirst,
Liebster,
ich wollte nicht nur träumen von dir.


131. Wie ich nicht aufstehen wollte am Morgen

Aber es war so,
schon lange hatte ich verlassen meine Kemnate
und irrte durch ein ödes Land,
ich war gelaufen und gerannt.
Blass lief ich durch die Straßen,
seltsam verbraucht und erschöpft,
ohne Ziel.
Manchmal wollte ich nicht weitergehen,
ich war so müde, so schwer
und unermesslich alt.
Wie ich nicht aufstehen wollte am Morgen,
meine schweren Schritte fürchtete,
wie ich mich zwang zu gehen
und gehen musste
und einen Fuß vor den anderen setzte,
wie mir das Lächeln schwand.
Ich konnte nicht mehr glauben an dich,
dass du einmal da sein würdest.
Wie weit ich gelaufen war,
weg von deinem mich täuschenden Bild,
wie ich auf der Straße stand,
immer, immer,
nicht wissend,
wohin mich zu wenden,
wohin?
Meine Schritte versanken
in diesem leeren Land,
das nichts von dir zu wissen schien.
War ich das, die dich hinaustrieb und trieb?
Keine deiner Fragen beantwortete ich
und weißt du es nicht,
allen Stolz verlor ich,
nicht aber dieses Festhalten an meinem Schweigen.
Lass mich stolz sein auf mein Schweigen,
das mich zu begleiten scheint auf dieser öden Wanderschaft,
während derer ich aufhörte zu träumen.


132. Fiel ich dir nicht in die Arme, als du schon gegangen warst?

Einmal
war diese kleine Melodie meines Begehrens,
die anschwoll
und mich träumen ließ,
die groß wurde
und mich verschlang.
Sah ich Gespenster?
Sah ich einmal dich?
War ich das,
die aufgeben wollte,
weil das du warst,
der sich abwandte von mir?
Konnte ich jemals glauben,
dass du,
der du es vermocht hattest
mich zu erwecken,
nun nicht mehr träumtest von mir?
Muss ich aufhören zu erdenken alles,
wie ich wohl tausend mal fragte?
Ich will nicht
und falle hin und her,
kann dich sehen,
manchmal,
und verliere dich immerzu.
Wie ich mich schämen muss.
Worüber?
Ich sah dich ja nicht,
damals,
als noch Zeit war.
Damals,
als noch Zeit war,
beschämtest du mich.
Ich wäre lieber gestorben,
als dich zu hören.
Wie jeder Atemzug mich beschämte,
wie ich mich fürchtete vor dem Hohnlachen aller,
die mich umgaben.
Fiel ich dir nicht in die Arme,
als du schon lange gegangen warst?
War es nicht so, dass ich fiel und fiel
und fallen musste,
abwerfen diese Scham,
die mich niederhielt.
Einmal liebte ich dich
und sprach von Liebe,
und nun spreche ich fort und fort
von Liebe
und suche dich und will sagen,
dass es Liebe war, doch Liebe.


133. Aber es war

Wie ich mich wiederholen muss,
die gleichen Worte sprechen,
wie ich festhalten muß
an meinem alten Traum.
Du bist so fern von mir
und wieder will ich sagen:
es ist alles vorbei,
es war ja nicht
und täusche mich,
denn es war und ist gewesen,
aber es hatte keinen Bestand.
Was war,
konnte nicht bleiben
und so erscheint es mir manchmal,
als sei es nicht gewesen,
denn ich will mich trösten,
meine Scham bezähmen,
meine Gier bezwingen,
mein Scheitern
und sagen,
es war ja nicht,
es war gar nichts
und es wird gar nichts bleiben.
Aber es war,
einmal liebten wir uns,
einmal begannen wir
und hofften.
Einmal berührten wir uns,
Liebster, du musst mir das sagen,
es war,
einmal war es.


134. Es gefiel mir so sehr, dass du mich nehmen wolltest

Warum du,
was war es,
was mich gefangen nahm
und belebte?
Heute dachte ich an dich,
ich sah ein Bild,
es erinnerte mich.
Das warst du,
der lachte und mich nahm
in dieser unverschämten Weise.
Einmal warst du so,
es gefiel mir so sehr,
dass du mich nehmen wolltest,
gar nichts bedachtest,
dich nicht schämtest,
alles,
was hinderlich war,
auszulöschen trachtetest.
Liebster, es war wunderbar.
Wie du mich wollen konntest,
diese in ihrer Kemnate verborgene Nonne,
wie du keine Angst hattest haben müssen
vor mir,
wie du alles ahnen konntest,
wie lebendig du mich machtest,
wie ich zu atmen begann
und gierig war nach dir,
deinem Körper
und zu träumen begann,
du weißt das,
von dem obskuren Objekt meiner Begierde,
das warst du.
Ich hörte auf
die Leier zu spielen,
und wollte haben dich,
liegen bei dir.
Ach, Liebster,
wie du herauf ranntest die Treppen zu mir,
es war unglaublich.
War das wirklich ich,
wie ich alles zurückrufen muss,
denn das war ich ja,
es war wunderbar und unglaublich,
dass da einer käme für mich,
so verborgen wie ich war,
der mich erkannte
und haben wollte mich,
ich weiß ja,
es war so.


135. Ich berührte mich selbst

Aber ist es nicht so,
du verwarfest mich.
Ich lächelte ja nicht,
ich starrte dich an mit meinem Nonnenblick.
Auch als alles weiterging,
du mich suchtest
und nehmen wolltest,
mir tausend Worte sandtest,
kauerte ich in meinem kargen Raum,
der zerbarst,
und berührte mich selbst
und träumte,
Liebster,
von dir
und hoffte,
du könntest mich sehen, hören
und einmal berühren.
Ich wollte ja,
wollte ich nicht?
Muß ich dich nicht immer weiter sehen?
Ist das nicht Liebe?


136. Dein grobes Bild

Wieder und wieder
sah ich an
dieses Bild,
das mich erinnert hatte
an dich.
Je mehr ich es studierte,
umso näher rücktest du mir,
du wurdest und warst dieses Bild.
Du warst wie er.
Es war unglaublich,
wie du ihm ähneltest.
"Ich liebe dich",
flüsterte ich in der Nacht.
Sein Bild vermischte sich mit deinem,
bis ich nicht mehr wusste, wer du warst,
wer er.
Lass mich das sagen,
ihr ward so, so anders als alles,
was ich in meiner Kemnate hatte erträumen können,
ihr ward so grob und wie in Stein gehauen,
so hässlich,
so verrückt und lebendig dabei,
so wild und einsam,
wie ihr in keinster Weise ähneltet
meinem "Ritter mit der Verzweiflungsrüstung",
der schön und sanft gewesen war,
traurig und erlösungsbedürftig.
Wie schön, wie unendlich schön er gewesen war,
wie hässlich ihr ward,
wie ich euch anhing,
ihn verließ,
den ich einmal hatte trösten wollen.
Wie ich an ihn denken musste,
an die Zeit,
in der ich ihm verfallen war.
Liebster,
wie grob du mich machtest,
wie begehrend,
wie nun ich verfiel deinem groben Bild.


137. Ich kann nicht ablassen von dir

Ach, wie du lachen kannst,
kann ich nicht,
werde ich nicht einmal lachen wie du?
Ich war todmüde in der Nacht,
gestern war es,
dabei wie zerpeitscht von deinem Bild,
das ich sah und sehen musste,
ich konnte nicht ablassen von deinem Bild,
es erregte mich,
es stand vor mir und wich nicht.
Ach, wie ich schlafen wollte,
dich sehen musste
und beschwören,
deinen Körper,
diese Lust,
die uns umfing,
Liebster, du wolltest ja nicht.


138. Ich lief durch München

Ich lief durch München,
plötzlich sah ich dich.
Wir schauten uns an.
Ich dachte: Ich will sagen,
nun sehen wir uns ein zweites mal,
hattest du nicht gesagt: man sieht sich immer zweimal,
...hatte ich nicht geschrien, Nein, Nein, niemals wieder.
Wieder waren wir nicht allein,
wie sollte ich ansehen dich, zu dir gehen,
wie mich entschuldigen, hinweg stehlen.
Panik überfiel mich,
du wirst vorübergehen,
dachte ich
und saugte mich fest an dir,
mit meinem Blick.
Wie erstaunt du mich anschautest.
Ich legte meine Hand auf deinen Arm
und begann wirr zu sprechen,
dann ging ich mit dir,
wir irrten durch die Straßen,
ganz allein,
es war wunderbar,
ach, wie ich träumen und träumen muss von dir.
Wohin wir wohl gingen?
Wagte ich mir auszumalen,
was ich beschwor?
Würde es einmal diesen Ort geben…
Sag nicht, ich träume,
schon morgen werde ich nach München fahren,
ich werde durch die Straßen laufen
und dich suchen,
Liebster,
alle Orte werde aufsuchen ich,
wo du einmal warst,
wo einmal ich dich suchte,
diese lauten Orte,
die fiebrig ich durchkämmte,
sei einmal da, wo ich dich suche,
sei einmal da und wiederhole nicht
mein Nein,
das ich einmal gesprochen habe,
in einer unerinnerbaren Zeit.
Ich wusste ja nicht.


139. Die ich kauerte in meinem kargen Raum

Wie ich mich nun erinnern muß,
wieder und wieder,
sehen, was unsichtbar gewesen war
für mich,
die ich kauerte in meinem kargen Raum.
Wie blind ich gewesen war,
und doch,
es ist ja so,
dass ich nun alles erinnern kann
und beginne zu ermessen,
was ich verlor,
weil ich blind war
und taub und stumm.


140. München

Wußte ich nicht alles,
du erwartetest mich nicht.
Wußte ich nicht,
dass alles so dunkel war,
dass ich dich nicht finden konnte.
Wußte ich nicht den Regen,
der fallen würde auf mich.
Aber siehst du,
es war,
dieses war,
ich lief durch München,
ich lief und lief.
Das war ich,
die die Lichter erlöschen sah,
da war der Regen,
der herab auf mich fiel,
auf mich.
Ich hielt mich fest am Licht der Laternen,
von denen ich vermeinte,
sie verwandelten mein Gesicht in ihrem Schein.
Und ich stand und stand
und hielt mich fest und fest.
Ich wollte nicht gehen,
aufgeben,
glauben nicht,
dass auch nun,
in dieser Stadt,
du dich verbergen würdest
vor mir.
Dann stieg ich ein,
ich fuhr durch München,
es spielte eine fremde, traurige Musik.
Mein unbekannter Fahrer sah mich an,
sein Gesicht rückte so dicht an meines.
"Ist es nicht seltsam, dieser Regen, dieser Regen",
sprach er
und ich fürchtete mich.
Ich sah das vorbeieilende Licht der Laternen
und begann zu sprechen,
zu sprechen von dir.
"Ich fahre, ich fahre
zu dem, den ich liebte,
er erwartet mich",
sagte ich und begann zu träumen.
Ich sah zum Fenster hinaus,
in die schwarze Luft, die mich erstickte.
"Dieser Regen", sagte ich,
"es ist seltsam, dieser Regen."
Wir fuhren lange durch die Straßen von München,
begleitet von einer fremden, traurigen Musik.
Dann sah ich dich.
Ich stieg aus und begann zu laufen.
Ich wollte dich zwingen.
Das warst aber gar nicht du,
es war sein Bild,
das ich sah.
Aber...
es war ein Bild,
es genügte mir,
es ähnelte dir
und musste mir genügen
im Wachrufen deiner Gestalt,
von der ich dachte
und nicht ertragen konnte
dass sie mir für immer und immer verloren war.
Wie ich mich berauschte an diesem Bild,
das deine Züge trug.


141. Wohin ich wohl noch reisen werde

Wohin ich wohl noch gehen soll,
wohin ich wohl noch reisen werde
auf dieser Suche nach dir,
ach, ich kann dich ja sehen.
Werde ich jemals verstummen
und stillstehen?
Werde ich dir einmal
eine Antwort schicken
auf deine alten Fragen?
Du fragst ja nicht mehr
und verbirgst dich vor mir
Weiß ich nicht den Ort,
an dem ich dich erreichen könnte?
Weiß ich nicht alles?
Bin ich nicht erstarrt vor Angst?
Fürchte ich nicht alles,
was möglich, vielleicht einmal möglich wäre?
Denn ich muss so sicher denken:
Du erwartest mich in der Nacht.
Warum lief ich durch München,
diesem lange vergangenen Ort?
Wusste ich nicht immer,
niemals träfe ich da dich,
niemals.
Fuhr ich nicht nach München,
um dich nicht zu treffen?
Liebte ich nicht diese Suche nach dir
an all jenen Orten,
die nicht Ernst machten
und verhaftet blieben meiner Angst.
Würde einmal ich meine Kemnate verlassen
und anrufen dich,
von dem ich manchmal wähnte,
er sei nun in dieser stickigen Luft,
sei zurückgegangen zu ihr und den Kindern.
Hatte ich nicht einmal versprochen,
mit allem zufrieden zu sein?
Hatte ich nicht einmal versprochen,
dich nicht mehr zu quälen?
So fuhr ich nach München,
Liebster,
ich suchte all die vergangenen Orte auf,
an denen du nicht warst,
ich dich niemals finden konnte.
Ich fühlte den Regen herabfallen auf mich,
die Kälte hineinkriechen in meinen Körper,
der so heiß war,
Liebster, das weißt du,
ich ersehnte dich.
Aber, niemals
suchte ich auf diesen Ort,
an dem ich dich nun wähnen musste.
Ach, verzeih mir
in meinem Aufgeben-Nicht.
Denn gab es einen,
gab es etwas,
das nun erträumen ich konnte,
hatte ich nicht alles verloren?
Wie ich fortfuhr
zu erträumen
deine schwindende Gestalt,
die mich erregte
und zu sprechen schien,
immerfort,
von etwas,
was einmal, dereinst,
sein könnte.


142. Hatte ich nicht verloren meinen Elfengang...

Keine Nachricht von dir,
auch heute nicht.
Wo du wohl bist,
ob du träumen musst,
ob es wohl vorkommt,
dass du kommst in meine Stadt,
die ich durchfurche mit meinen Schritten,
die nicht,
wie ihr wisst,
aufhören können,
zu suchen dich.
Was auch immer ich versprach,
es hatte keinen Bestand.
Aber,
stolperte ich nicht,
hatte ich nicht verloren meinen Elfengang…
Wie recht ihr habt,
manchmal aber, manchmal,
ihr sahet mich ja nicht,
keiner sah mich,
auch du nicht, den ich suchte,
in München,
in der gemessenen,
in der leisen Musik,
die ich unter tausend Menschen hörte,
manchmal ging ich umher
und mein Fuß berührte den Boden nicht.


143. Sollte ich nicht niederknien und bitten euch?

Was ist das überhaupt,
dass ich,
die Nonne
im Elfengang die Strassen durchschreiten sollte?
Wie ihr lachen müsst über mich.
Wie ich mich schäme.
Wie ich euch alle wieder und wieder bedenken muss
und nicht festhalten kann an dir,
Liebster, an dir.
Wie ich,
war ich nicht einmal stolz darauf,
dir niemals Antwort geben werde,
wie ich vermeine
es möglich zu machen,
dass du nicht bist,
weil ich mich fürchte,
fürchte vor euch,
die ihr verachtet meinen Elfengang,
mein Nonnensein,
mein Dasein, mein Begehren,
mein Sehnen, meinen Traum.
Sollte ich nicht bitten euch,
ach, auch niederkniete ich,
mir zu verzeihen,
meine Schuld, meine Scham
und alles,
was ich bin
und sagen:
Das ist er,
den ich liebe
und lieben muss.
Mutter, das bist du,
die vor mir steht
und ich sehe so deutlich,
dass du sagen willst,
dass ich leben darf.
Ich höre so deutlich dich,
deine Stimme,
die mir sagen will:
Ich habe geträumt und geträumt,
dann warst da nur noch du,
dieses Kind,
das ich verließ,
verlassen, sterben musste,
wie ich anhänge dir
in meinen Tränen,
meiner Vergeblichkeit,
meinem Scheitern,
meiner Endlichkeit.
Ich höre dich sagen, Mutter,
dass ich sein soll.


144. Die Worte, die ich suchte…manchmal lachte ich

Die Worte,
die ich suche,
euch zu berichten von mir.
Manchmal lachte ich.
Die Karawane, die Leierspielerin, diese kleine Melodie, das öde Land, die Kemnate,
mein karges Zimmer, dein grobes Bild, meine Lüge,
mein Nonnenblick, mein Elfengang, der Regen,
der herab auf mich fiel, immer, und
du Mutter, die starb, in einer unerinnerbaren Zeit.
Vater, du, den ich lieben musste, heftig, so heftig.
Meine Scham, meine Schuld, mein Nicht-leben-Können.
Meine Beschwörung: Lass es Liebe sein.
Meine Angst, dass gar nichts bleibt.
Ich weiss es nicht.
Ich will nicht weinen,
wie ich sagte und sagte:
zermartert mich nicht
mit dieser unendlichen Zeit.
Ach, Liebster,
was du mir sein sollst,
was du mir bist,
wie ich mich sehnen muss nach dir.
Werden wir jemals finden einander?
Werden wir atmen diese schwarze Luft?
Werden wir untergehen müssen?
Werden einmal lachen wir,
werde ich einmal wirklich lachen können?
Werde ich einmal lieben dich und liegen bei dir,
werden einmal die Verfolger schweigen
und dann,
ich weiß es ja,
ist es nicht so,
werden nicht einmal, dereinst
wir sein,
weil es mir gelang,
wird es mir nicht einmal, einmal gelingen,
dich zu sehen, nur dich
und alles zu vergessen,
was war, alles, und zu sagen,
dass du das warst, den ich liebte,
der du gekommen warst,
mich zu lieben,
heraus aus einer schmerzlichen und unerinnerbaren Zeit?


145. Kannst du mir verzeihen, Mutter?

Wie verhasst ihr mir seid,
wie ihr mich werft und werft
in dieses öde Land,
wie ihr mir nicht gestattet
zu atmen,
wie ihr verfolgt
auch den kleinsten Atemzug,
wie ihr lacht über mich,
meinen schändlichen Versuch zu atmen,
denn es ist ja so,
ich habe mein Recht verwirkt,
Mutter, ich nahm dir den Atem,
Mutter, du verstummtest,
ich aber begann zu atmen,
seltsam zu leben
mit meinem Nonnenblick.
Denn ahnte ich nicht immer,
dass alles vorbei war,
bevor es begann?
Das warst du Mutter,
die ging,
in,
wie ich immer wieder sagen muss,
in einer unerinnerbaren Zeit.
Seltsam, ist es nicht seltsam,
wie ich Atem holte und holte.
Woher wohl nahm ich die Kraft,
warum verstummte und starb ich nicht?
Warst du das Mutter,
die eine Art von Leben und Atmen mir einzuhauchen vermochte
in ihrem Sterben,
Mutter, warst du das?
Konntest du mir verzeihen,
wie ich rätseln muss,
wie ich dich vergass,
lange, lange.
Diese fremde Frau,
deren Bilder ich manchmal studierte,
Mutter, ich kam zu keinem Schluss.
Mutter, ich erkannte dich nicht.
Diese Frau, in deren Körper ich,
so scheint es, einmal wuchs,
dieser Körper,
so scheint es,
den ich zerstören musste,
um zu leben,
schändlich zu atmen,
warum?
Ach, wie fremd du mir bist und bleibst,
ein toter Körper, ausgelöscht.
Wie ich immer fragen muss,
ob da Liebe war,
einer,
der jemals mich ansah und wollte,
Mutter, es war ja nicht.
Da warst du, die gehen musste,
da war ich,
die blieb.
Ich blieb und blieb.
Ich holte Atem,
manchmal atmete ich tief,
ich sog die Luft tief in meinen Körper hinein,
ich wusste ja immer alles,
wollte sterben nicht,
dir nachfolgen nicht,
Mutter.
Wie tief ich atmen konnte,
das glaubst du nicht,
wie ich wettmachte alles, alles
und anschwoll in der Luft meines Atmens.
Manchmal,
manchmal vermochte ich zu machen,
dass alles nicht war,
es war nicht geschehen,
du starbest, verließest mich nicht,
ich war einfach da,
ich bedachte dich nicht und vergaß alles,
alles,
ich rannte durch die Straßen,
ach Mutter, wie schön ich war,
dich suchte und ihn,
der einmal davon gesprochen hatte,
dass er mich treffen wollte.
Mutter, ich träumte und träumte,
lebte ich jemals?


146. Zweimal

Zweimal, sagtest du,
werden wir uns sehen,
dann schrie ich auf.
Ich wollte ja nicht.
Niemals, wie ich berichtete,
niemals wieder, sagte ich.
Nun aber halte ich mich fest
an deinem einmal,
so schnell gesprochenen,
und verhallenden Wort
und immer denke ich:
zweimal, er hat zweimal gesagt,
und ich warte und warte
und ich träume und träume,
als hättest du mir etwas versprochen.
Ich denke: Zweimal, zweimal.
Er sagte, wir sähen uns wieder,
irgendwann,
ein zweites mal.
Es kann nicht sein,
dass er alles vergass,
und vergass er es selbst,
einmal sprach er,
es wird sein:
zweimal.
Ich werde ihn treffen und sagen:
Zweimal, zweimal.
Einmal werde ich hintreten vor ihn
und fordern, was er versprach
und vergass,
so lange schon vergessen hat,
das bin ich,
dieses dumme Karawanentier,
das sich festhalten muss
an einmal,
trügerisch gesprochenen Worten.
Zweimal,
ich wollte ja nicht,
warst das nicht du,
der einmal zweimal wollte?
Wer sagt,
dass ich einmal, jemals leben wollte?
Sagte ich nicht immer Nein
und verkroch mich
in diesem öden Raum,
ihr wisst schon,
meiner Kemnate?
Das war nicht ich,
die leben, atmen wollte,
ich wollte ja nicht.
Wie ich alles zerstören will
und sagen,
dass ich es niemals vermochte
zu sprechen und Bedeutung zu geben dem,
was mir wichtig war.
Wie ich,
so dachte ich plötzlich
und verbarg mein Gesicht in meinen Armen,
merkwürdig sprach und sprach
ohne aufzuhören,
wie ich plötzlich stark empfand,
wie karg und leer meine sich wiederholenden Worte waren.
Ich sehnte mich danach,
auszulöschen sie,
diese mich beschämenden, sich wiederholenden, leeren Worte.
Wie ich immer gedacht hatte: Es wird gar nichts bleiben.
Ich will es nicht.
Ich will nicht sterben in dieser Scham,
ich werde noch einmal anhalten meinen Lauf,
in dem ich dich zu finden hoffte
und sagen:
Ich will auslöschen alles,
was ich einmal dachte, träumte
in einer unendlichen Zeit,
die mir nun so karg und bedeutungslos erscheint,
meine nichtigen Worte,
die ein zweimal wollten
und keinen Bestand hatten.
Denn so leer sind meine Worte,
so leer, so ausgehöhlt,
es sind gar keine Worte mehr
und waren es,
wisst ihr, sie waren es nie,
da war nur ich, die träumte und träumen musste
Wie ich mich schäme vor euch
in meinem unablässigen Sprechen,
wie alles verschwinden muss
in dieser Scham,
diesem Nicht-genügen-Können,
meiner Hilflosigkeit,
diesem merkwürdigen Stammeln,
diesem Sagen,
dass es ein Zweimal geben muß,
aber ist es nicht so,
das bin ich,
wollte ich jemals zweimal,
existierte ich je,
einmal?


147. Eine Antwort, das kennst du nicht

Siehst du,
das warst gar nicht nur du.
Andere folgten.
Sie betraten meinen Raum,
sie sprachen, sahen mich an
und ich wusste,
dass sie zu träumen begannen,
verzaubert von mir.
Ich liebte dieses Spiel,
in dem du, immer du
wiederauferstandest vor mir,
in dem ich deiner gedenken,
dich wachrufen konnte.
Begannen sie zu träumen von mir,
sah ich dich,
immer dich.
Auch die unvermuteste Regung registrierte ich,
ich benötigte alle,
um zu denken an dich,
wie du einmal gestanden hattest vor mir,
mich lieben wolltest,
die Hand legen auf mein Haar,
deinen Körper an meinen pressen.
Wie du mich erneut machst zur Enttäuscherin,
ich wollte ja nicht,
einmal wollte ich sagen ein Ja,
das warst aber nur du,
zu dem ich hatte sprechen wollen,
ich höre,
wie ihr mir misstraut und sagen wollt:
Du, du wolltest nicht, niemals wolltest du,
sagtest du nicht Nein, auch zu ihm,
immer nur Nein.
Wie ihr mir sagen wollt:
Immer und immer warst du die Enttäuscherin
und wolltest die sein, die ging,
antwortetest nicht,
weil du niemals, niemals hattest hoffen können
auf Antwort,
du weißt und kannst nicht ermessen das,
eine Antwort,
das kennst du nicht.
Ach, wie tot ihr mich macht,
wie ihr mir alles nehmen wollt,
wisst ihr nicht,
dass ich umherging in diesem Regen,
der schwarzen Luft,
drohte ich nicht zu ersticken,
könnt ihr nicht einmal sagen,
das warst du,
du fandest nicht,
du musstest träumen und träumen.
Denn ist es nicht so,
alles verflüchtigte sich.
Wie ich mein Leben sterbend verbrachte
und aufrichtete mich
an Gedachtem, Erträumtem.
Wie unerbittlich ihr seid,
nach meinem Leben trachtet,
wie ich manchmal mich fragen muss:
Wollt ihr auslöschen mich,
mein Atmen, meinen Traum?
Ich aber antwortete: Nein.
Könnt ihr nicht sehen,
da ist sie,
sie wollte, dass ich leben kann,
da ist er,
der mich einmal suchte,
er,
für den ich anhalten will meinen Lauf
und aufhören die Enttäuscherin,
die Leierspielerin zu sein.
Einmal, einmal,
ihr werdet sehen und sehen,
will ich liegen bei ihm und vergessen alles.


148. Mein Verließ

Ihr werdet mich nicht finden,
ich werde sein
in meinem Versteck, meinem Verließ.
Ich weiß schon,
ich werde mit meinem Elfengang die Straßen durchschreiten
und ihr werdet erkennen mich nicht,
mein Gesicht wird verwandelt sein
vom Licht der Laternen.
Werdet ihr nicht anstarren mich
und euch fragen,
wer ich bin?
Wird nicht etwas,
etwas,
euch erinnern an mich?
Und du,
wo wirst du sein,
werde ich vorbeigehen an dir,
wirst du nicht noch einmal beginnen zu träumen,
wirst du glauben an so vieles,
was war und bleiben muss,
ach, Liebster,
wo wirst du sein,
der du zurückgingest,
ich weiß es so sicher,
zu ihr und den Kindern,
weil du nicht kannst und kannst,
du hörtest auf zu sehen mich,
die ich laufe und laufe,
mein Verließ verlassen muss
in diesen Nächten,
mich anklammern an den Laternen,
ihrem dürftigen Licht,
hoffe ich nicht manchmal,
da kämest du,
du sähest mich
und sagtest,
dass ich kommen darf zu dir,
verließ ich dich auch.
Du sprichst aber nicht,
wie an allen,
laufe ich vorbei an dir,
den ich noch sehen kann.
Ich will schreien und dich fragen:
Warum machst du das mit mir,
warum hörst du nicht auf,
ich weiß ja, ich weiß,
einmal sagte ich nein und nein,
ach Liebster, sagte ich jemals Nein?


149. Ihr werdet vorbeigehen an mir

Ihr werde hören mich nicht,
wie ich alles ahnen muss,
niemals werdet ihr erkennen mich,
mein vom Schein der Laternen verwandeltes Gesicht,
wie er, wie sie,
werdet ihr vorbeigehen an mir,
als sei ich nie gewesen
und immer gewesen in diese schrecklichen Nacht.
Wie ich fühlen kann,
dass alles umsonst,
mein Gehen und Gehen,
warum stand ich nicht still
und betrog und betrog mich.
Ach, hätte ich niemals begonnen,
was ich begann,
ach, Mutter, lass mich sterben,
weißt du, sie sehen mich nicht mehr,
sie gehen vorbei und vorbei.


150. Mein Angesicht

Als sie mich riefen,
plötzlich riefen
und ansahen,
als erkennten sie mein Angesicht,
Liebster,
wie ich mich fürchtete.
Wie mein Herz zu klopfen begann,
und zersprang und zersprang.
Sag du mir,
muss ich noch einmal mein Verließ verlassen
und Zeugnis geben?
Muss ich noch einmal atmen diese dunkle Luft,
in der du nicht bist?
Soll ich träumen vom Licht der Laternen
und einmal, einmal sein?
Du aber,
du aber,
wirst du sehen mich,
wirst du erkennen mein Angesicht?
Wirst auch du einmal da sein,
wenn ich beschließe,
hervorzutreten,
mein Verließ, diese Kemnate zu verlassen,
wo wirst du sein, Liebster?
Auch dich, Mutter,
will ich fragen.
Soll und darf ich leben,
zeigen mein schamerfülltes, beschädigtes Angesicht?
Muss ich anhalten meinen Elfengang,
hineintreten in das gleissende Licht,
das ich fürchte und ersehne,
als sei es der Tod,
weil:
Mutter,
wie sollte ich
bestehen in einem gleissenden Licht?
Wie zerfurcht und grau ich bin,
wie tot und zermartert,
ach, Mutter,
ich fürchte mich,
schick mir ein gleissendes Gewandt,
wirf es hinab,
lass mich bestehen
und einmal sagen, dass ich sein kann und darf,
ach Mutter,
schick du mir ein gleissendes Gewandt.
Du weißt,
ich werde da sein und alles empfangen,
alles, wie ich warte auf dich,
deiner gedenken muss,
wie du lebendig wirst vor mir,
die du starbest in einer unendlichen Zeit,
nahmest du mich mit,
Mutter,
darf ich leben,
existiere ich?
Wirst du hinab werfen mir ein gleissendes Gewandt?
Wirst du da sein und schützen mich,
wenn sie mich zerstören wollen,
denn, weißt du, Mutter,
ohne dich kann ich nicht leben,
meinen Elfengang aufhalten nicht.
Sag mir,
dass ich wirklich bin,
nicht träumen muss.


151. Mein klopfendes Herz

Werde ich sterben am Klopfen meines Herzens?
Muss ich mich verbergen,
weil das Klopfen meines Herzens mich verraten wird?
Wirst du da sein,
wenn ich sprechen will, Liebster?
Wirst du ein einziges Mal mein Herz beruhigen,
das zerbrechen will
und dasein und legen die Hand auf mein Haar?
Wirst du meine Hand ergreifen
und sagen, dass ich still sein darf?
Wirst du sagen,
es genügt,
dass du da bist und sprechen willst?
Ich sehe dich,
ich kann dich ja immer noch sehen
und will dich noch einmal beschwören.
Du musst dasein,
hören und sehen mich,
bedenken diese unendliche Zeit,
die ich nicht ertragen kann
ohne dich.
Ich sehe dich.
Du wirst mich sehen,
mich,
die du vergaßest,
du wirst aufwachen und sehen mich,
noch einmal.
Ich werde so schön sein,
wie du es immer träumtest,
ich werde so klug sein,
wie du es vorhersahest.
Ich werde sprechen von dir,
nur du wirst wissen,
wem meine Worte gelten.
Einmal wirst du ansehen mich
und staunen.
Du wirst mich sehen,
einen Menschen,
den du vergessen hast.
Wähntest du mich nicht tot?
Nun wirst du sehen,
wie ich leben kann.
Sei einmal,
dieses eine Mal, da,
beschütze mich,
schau mich an,
beginne zu träumen,
von mir, von mir,
die ich stehen werde vor dir.
Stehe ich nicht da,
nun vor dir,
weil ich dich suchen muß,
immer und immer?
Gibt es jemanden, etwas,
außer dir,
das ich erträume?
Wie sicher ich bin,
du wirst da sein,
ich werde nicht sein allein,
da wird deine Hand sein,
die du hältst über mich.
Du wirst anschauen mich,
noch einmal beginnen zu träumen,
zu wissen,
dass es Liebe war,
ich bin so sicher,
es war Liebe.
Gab es denn einen,
der mich,
die ich kauerte in meinem Verließ,
zu erkennen vermochte,
ausser dir?
Liebster,
du musst und musst nun,
einmal,
dasein.
Wir werden lachen,
bitte, Liebster,
laß mich lachen.


152. Jemand weinte um mich. Mutter, du sandtest mir ein scheinendes Gewandt.

Mutter,
das warst du.
Ich konnte dich sehen,
deine Schwester weinte.
Das warst du,
du warfst mir hinab ein scheinendes Gewandt.
Ich konnte sehen ihr Gesicht,
sie weinte,
sah ich nicht dich?
Hatte jemals einer um mich geweint?
Und ging sie auch schnell,
und eilte davon,
hatte ich nicht gesehen die Tränen in ihrem Gesicht?
Wie ich mich festhalten wollte an ihr,
die rannte und rannte.
Mutter, da war deine Schwester,
sie musste weinen,
dann rannte sie schnell.
Wie ich daraus zu machen suche,
dass ich bestehen kann,
dass du da warst,
sprachest mit mir.
Wen sonst solltest du mir wohl schicken?
Mein Vater,
ach, wie stumm er war,
er weinte, weinte ja nicht.
Ich dachte,
geht er nicht,
geht er nicht zu dir?
Er war gar nicht mehr da.
Mein Vater sah mich nicht,
nun plötzlich,
warum,
wandte er ab sein Angesicht?
Hatte er mich nicht an-und angeschaut,
hätte ich jemals leben können ohne seinen Blick?
Ob er wohl fühlen konnte,
dass ich dich anrief,
ihm entschwand in den Augen deiner Schwester,
die zu weinen begannen,
wie sie mir etwas zu geben begann,
wonach ich so lange gesucht hatte.
Mutter, sie weinte.
Mutter, du warfst mir hinab ein scheinendes Gewandt.
Wie ich denke,
er konnte fühlen,
wie ich ihm entschwand,
Mutter,
ich will das nicht.
Ihn verlieren will ich nicht,
sag du mir ein Wort,
ihn zu versöhnen,
Mutter, laß mich bestehen.
Hielt er nicht seine Hand über mich,
vermeinte ich es nur?
Mutter,
du musst mir Auskunft geben,
vergaß er alles,
vergaß er dich?
Ging er vorbei,
an dir,
an mir,
versäumte er alles,
um zu überleben?
Mutter,
du musst mir sagen,
ob ich meinen Vater lieben darf.
Mutter,
darf ich nehmen dieses scheinende Gewandt?
Mutter,
sag mir,
dass ich ihn lieben darf.
Und weinte er nicht,
weißt du, Mutter,
er sah mich immer an,
in dieser unendlichen Zeit,
Mutter,
du warst ja nicht da,
da war er,
er schaute und schaute,
es ist wahr,
niemals weinte er,
aber konnte ich nicht hören alles?
Konnte ich nicht hören seine Tränen?
Wäre ich nicht gestorben ohne sein Bild?
Erfand ich nicht alles,
dich und ihn?
Mutter,
sag mir,
dass ich ihn mitnehmen darf,
Mutter,
sonst muss ich sterben.
Wie ich dich lieben muss und ihn,
Mutter,
ich werde haben keine Bestand,
sag mir,
dass du ihn einschließt
in dieses gleissende Gewandt,
das du mir schicktest.


153. Mutter, du sandtest mir ein Elfengewand

Mutter, ich weiß nicht.
War ich da,
bestand ich?
Wie ich rätseln muss,
zweifeln,
als sei nicht gewesen, was war.
Die mich liebten,
sahen mein scheinendes Gewandt.
Hatte ich es nicht geliebt zu sein,
trugen mich nicht die,
die mich liebten
und warfen zurück mir
dein scheinendes Gewandt?
Und weißt du,
es war ja kein Panzer,
es umflirrte mich
und ich dachte,
es verwebte sich in einer seltsamen Weise
mit meinem Elfengang.
Und so war ich,
Mutter,
es umflirrte mich dein scheinendes Gewandt,
und gleißte manchmal hell,
manchmal verlosch es und ließ mich karg
und einsam scheinen,
Mutter,
du sandtest mir ein Elfengewandt.
Und weißt du,
die Verfolger hören,
will ich nicht mehr.
Es soll mir genügen dein scheinendes Elfengewandt,
ein anderes werde ich niemals finden
und muss mich begnügen mit dem,
was ich haben kann,
ich weiß ja, es ist,
und so bin ich und muss ich sein.


154. Ist es nicht seltsam, ich vermochte es.

Nahezu zerschellte ich,
konnte nicht glauben an Worte,
die zu sprechen
-ist es nicht seltsam, ich vermochte es-
ich ersehnte.
Ach, meine Worte waren karg,
aber saht ihr es nicht,
sie waren.
Sie waren, so scheint es mir,
klein und erloschen schnell,
sie waren langsam,
getragen von langsamen Gedenken,
erleuchtet vom Licht der Laternen,
an das ich anklammerte mich.
Aber, wie ich nun sagen kann,
Mutter,
ich war.
Ich sprach,
sprach langsam und wusste nicht,
dass ich sprach, sprechen konnte.
Es war wunderbar.
Auch betrübte mich nicht mein zerstörtes Angesicht,
es verwandelte sich,
wie ich immer gedacht,
im Licht der Laternen.
Und ich atmete,
Mutter,
ich atmete,
Mutter, du sandtest mir ein Gewandt.
Wie soll ich es nennen,
gleißte, scheinte es,
war es ein Elfengewandt?
Mutter, ich danke dir,
denn es war alles,
was ich benötigte,
um in meiner kargen, meinem Nonnensein
zu bestehen.
Ich dachte auch an dich, du weißt schon,
immer,
wie sollte es anders sein?
Hörtest,
sahest du mich,
wie ich einmal träumte?
Erkanntest du mich,
verwarfest du mich,
konntest du mich sehen?
Wie alles sich mir verwirrte,
wie lange, lange,
ich zweifelte, zweifeln mußte
und schließlich dachte,
du warst nicht da.
Denn du, du hättest meiner gedacht,
hättest du nicht?
Dich, Liebster,
kann ich nicht mehr treffen,
dich verliere ich,
fort und fort,
und will nichts anderes,
gar nichts,
als berichten von dir.


155. Liebster, du warst.

Wie oft ich schon fragte,
wohin ich wohl noch reisen muss,
dich zu sehen,
den ich verlor.
Ist es mein schrecklicher Stolz,
mein Nein, immer wieder mein Nein,
das ich sprach und sprach?
Kann gar nichts auslöschen dieses Nein?
Ich sprach es, ja, einmal,
zweimal, tausendmal,
dann hoffte ich.
Ich fiel dir zu,
du warst gegangen,
wie schnell ich auch rennen mochte,
dich sah ich nie mehr.
Auch in den Nächten nicht mehr.
Hatte ich nicht immer gesprochen mit dir?
Warst du in dieser unheimlichen Weise nicht immer dagewesen,
bei mir,
berührtest du mich nicht,
legtest die Hand auf mein Haar,
lachtest mit mir?
Sah ich nicht in tausend Bildern immer dich?
Hörte ich nicht deine Stimme in der lauten und leisen Musik?
Gab es überhaupt irgendetwas,
wo du nicht warst?
Und du,
du weißt mich nicht.
Trat ich nicht hervor,
dachte ich nicht,
das ist er, er,
der mich sehen soll,
meine Schönheit,
mein zerstörtes Angesicht,
wie ich trotz allem bestehen kann?
Ach, Liebster,
du sahest mich nicht,
wo du wohl sein magst,
wo du verbirgst dein Angesicht?
Wohin du wohl gegangen bist?
Kann ich dich nicht sehen in diesem stickigen Raum,
mit ihr und den Kindern.
Liebster,
du verbirgst dein Angesicht,
sah ich nicht einmal dich?
Gab es nicht einmal diese Zeit,
in der wir waren,
uns begegneten,
atmeten,
hofften.
Und hättest du vergessen alles,
ich,
ich werde nicht.
Sei sicher,
ich kann dich vergessen nicht.
Wo ich wohl stehen werde,
welches Licht mich erhellen wird,
wird es sein das Licht der Laternen,
das verwandelte mein Angesicht,
ach, ich weiß nicht,
Liebster,
warum sollte ich alles wissen,
wo ich wohl stehen werde,
wenn du,
wie ich hoffen muss,
kommst.
Werde ich sein in der Kemnate,
anstarren dich mit meinem alten Nonnenblick,
wird ein Lächeln mein Gesicht zeichnen
und dir sagen,
dass ich bin?
Werde ich ein zweitausendest Mal
schreien ein Nein?
Werde ich niemals dasein?
Ich weiss nicht,
aber,
niemals. Niemals,
wirst du nicht gewesen sein,
Liebster, du,
du warst.


156. Sein Atem

Wie oft noch soll ich lesen und lesen,
zu begreifen suchen,
was war?
Liebster,
kannst du nicht spüren,
das bin ich, ich fasse dich an in der Nacht,
das ist meine Hand,
die dich berührt.
Gibt es also kein zweites Mal?
Lebten wir nur einmal und berührten uns spärlich?
Muß ich verbergen mein Angesicht,
meine Arme verschränken,
aufhören zu atmen,
zu suchen dich?
Aber,
ich weiß doch, du warst,
einmal suchtest du mich,
irgendwo musst du sein,
atmen, warten,
als wüsste ich das.
Als wüsste ich nicht,
dass du nicht mehr bist für mich,
nicht fern,
gar nicht,
Liebster, du bist gar nicht.
Und ich kann mich nicht begnügen,
sah ich auch,
wie ich berichtete,
andere meinen Raum betreten.
Ja, sie lachten mit mir,
manchmal begann ich erneut zu träumen.
Dann holte mich ein dein Bild,
dieses Gar-Nicht,
so lange schon,
dein Verstummen
und ich lebe,
weil ich dich suche in diesen Bildern der anderen.
Da kam einer,
ich lachte mit ihm,
es war wunderbar,
er verzauberte mich,
du kennst mich, Liebster,
ich begann noch einmal zu träumen,
zum tausendsten Mal,
aber ich wollte nicht,
hielt ich nicht fest an deinem Bild,
und er, wollte er,
hatte er wirklich und jemals gewollt,
wovon wir einmal, einmal
träumten?
Er wusste ja nicht.
Ich bedachte ihn lange,
er war so jung,
und ich stellte mir vor,
ach, ich stellte mir alles vor
und manchmal verfiel ich ihm in meinen Gedanken
und wähnte, das ist er,
er wird mit mir lachen,
umhergehen mit mir,
er wird sich nicht schämen,
er wird einfach sein,
denn weißt du,
so war er,
es bekümmerte ihn nichts.
Ich stand so dicht vor ihm,
ich roch seinen Atemzug,
der mich berauschte,
ja, ich sog die Luft seines Atems in mich hinein.
Seine Anwesenheit erregte mich,
ich liebte es vor ihm zu stehen und zu atmen,
zu atmen die Luft,
die er ausstieß,
ich lebte in dieser Luft,
du, Liebster, du warst ja nicht mehr,
warst du nicht gegangen vor einer
unermesslichen Zeit?
Liebster,
hattest du mir nicht gesagt Adieu?


157. Mutter, also.

Mutter, also,
ich konnte dich sehen nicht,
du verbargest dich,
Mutter, wo warst du?
Waren es die Tränen deiner Schwester,
wie ich vermeinte,
in denen ich dich sehen konnte?
Aber du Mutter, du,
wo warst einfach nur du?
Warst du da in ihm,
der mich gesucht hatte und nun verbarg sein Angesicht?
Traf ich dich im abgewandten Blick meines Vaters,
der, ich war so sicher, dich zu suchen schien?
Wolltest du, wolltest du gefunden werden, Mutter?
Sollte ich finden dich?
Sollte ich nicht aufhören zu stören dich,
willst du nicht schlafen?
Ich aber,
ich will ja nicht schlafen.
Ich kann nicht aufhören zu träumen von dir.
Ich will dich, dich will ich zwingen,
einmal sollst du ansehen mich,
ach Mutter,
siehst du, ich kann mich nicht bescheiden,
kann nicht sagen,
sie starb,
sie sandte dir ein Elfengewandt,
Mutter, ich will zuviel,
Mutter, ich will, glaube mir,
ich will, dass du schlafen kannst,
und einmal, Mutter,
werde ich liegen bei dir.
Manchmal denke ich,
es wird eng sein,
so eng,
wir werden nicht mehr atmen können,
so dicht aneinandergepresst,
aber weißt du,
dann werde auch ich tot sein
und alles vorbei.
Einmal werden wir ruhig sein,
meine Gedanken,
die dich tausend Jahre suchten,
werden aufhören, ruhig werden
und ich werde sein bei dir.
Vielleicht aber, vielleicht,
siehst du, wie ich ruhig sein kann nicht,
wie ich mich ängstige vor deinem Grab,
vielleicht
werde ich treffen müssen ihn,
vielleicht werde ich lachen und leben müssen
ohne aufzuhören.
Vielleicht werde ich jung bleiben müssen,
so alt ich auch bin und werde,
Mutter,
ich fürchte mich.
Aber es ist auch so,
es tröstet mich,
einmal, einmal
werde ich finden dich.
Mutter, wie das wohl sein wird,
wird etwas sein.
Kann man im Tod sich finden?
Werde ich sehen dein Angesicht?
Wirst du aufhören diese fremde Frau zu sein,
wenn mein Körper da liegen wird,
ausgelöscht,
wie deiner es war?
Ach Mutter,
du lehrst mich den Tod,
das Leben nicht.


158. Ich vermischte mich

Es ist so lange, lange vorbei.
Ich traf tausend Menschen,
vermischte mich und lachte.
Aber,
mein Lachen liebte ich nicht,
es war seltsam.
Liebster, es war nicht,
mein Lachen hatte keinen Bestand,
ja, es betrübte mich.
Ich weinte über mein Lachen.
Denn:
Hatte ich nicht immer lachen wollen mit dir?
Wie falsch alles war,
wie ich hassen musste mein Lachen.
War es nicht falsch,
gehörte es nicht dir,
dir allein?
Wollte ich jemals lachen mit jenen,
mit denen ich mich vermischte
und zu überleben trachtete?
Ich wollte ja nicht.
Und manchmal,
doch,
da wollte ich,
überleben und sein.
Manchmal,
Liebster,
verriet ich dich,
verriet ich unseren Traum,
teilten wir ihn jemals?
Es ist schwer, so schwer
festzuhalten an dir,
deinem flüchtigen Wort.
Schrie ich nicht,
ach, ich wiederhole mich,
Nein und Nein,
gibt es diesen Raum in den
du kommen kannst zu mir?
Muß ich nicht sagen,
es gibt ihn nicht,
ach Liebster,
muß ich nicht sagen,
es gibt ihn,
muss ich nicht festhalten an dir,
lachen, sterben nicht.
Und immer denke ich:
Es waren hunderttausend Jahre,
in denen du sahest mich nicht.


III. Nacht um Nacht betrat ich die gleißenden Felder