Ich will alles verlieren

(Es wird gar nichts bleiben)

Weißt du es nicht?
Lieder sang ich dir,
tausend Worte fielen mir ein.
Alles meinte dich.
Wie, dass ich nicht erwecken kann?
Wie, dass alles stumm blieb?
Ich sang doch und sang.




Die Leierspielerin

Nacht um Nacht betrat ich die gleißenden Felder

Der Enttäuscher
E-Book


Die Reise zu meinen Eltern
Photographien, Bilder



1. Picture
2. Den ich töten muß
3. Sprach mein Herz
4. Pflanzen vergiften mich
5. Odysseus (1996)
6. Der höchste Turm
7. Ich hätte wissen müssen
8. Die Karawane
9. Am Rande
10. Du wirst nicht schlafen
11. Sand, Sand
12. Rechne nicht auf mich
13. Sicher
14. Ein anderes Herz
15. Zerwildern dich
16. Ich will nicht weitergehen
17. Ich konnte dich sehen
18. Haben nicht
19. Ich träumte
20. Dahin
21. Einmal
22. Nichts besaß ich und hatte jemals besessen
23. Minotaurus
24. In the night I heard my father speaking
25. Ich will nicht
26. Du wirst es nicht begreifen
27. Wie sollt' ich siegen?
28. Ich begann nicht
29. I do not understand
30. So träumt' ich immerfort
31. Ich will dich haben nicht
32. Du warst nicht
33. The one I loved
34. Ich kann machen das Nichts
35. You gave me to the wilderness
36. Herz, zerbrich.
37. Keine Spur




1. Picture

I cannot speak.
I don't remember.
Never to have seen,
there can be no tears.
I'll never know.
I cannot paint.
Those words all dark,
those words she told.
There's no armour around my heart.


2. Den ich töten muß

Ich bin in Liebe eingehüllt.
Das machst du,
den ich töten muß.
Niemals wirst du
legen Hand auf mein Haar.
Niemals wirst du
anfassen mich.


3. Sprach mein Herz

Es war ein großer Schmerz,
wie durch Seidenwände gebrannt.
Ich konnte nicht vorbereiten mich auf die Ewigkeit
ohne ihn.
Diese Nacktheit, dieser Hunger,
dies alles ertragen zu müssen, vermochte ich nicht.
Ich zwang ihn
in meinen furchtbaren Traum.
Er vergaß mich.
Ich rief.
Er antwortete nicht.
Stumm werden wollte mein Herz
und vermochte nichts.
Ich kann lebendig sein ohne Antwort,
ich erträume ihn,
sprach es zu mir.


4. Pflanzen vergiften mich

Ich sah
die dünnen Schalen brechen.
So hatte ich
das Meer gesehen.
Das kam
und umfing mich,
warf mich
auf den Grund.
In der
Stille wuchsen
Pflanzen und vergifteten mich.
Es um-
schlang mich dein Bild.


5. Odysseus (1996)

Für dich
fallen mir Lieder ein.
Dir könnt' ich singen.
Sirenengesänge, alle.
Und du,
ich weiß schon,
gefesselt am Mast.
Der Sieg und der Preis.
Du wirst das wissen.
Du wirst bezahlen.
Es ist viel zuviel.
Du wirst sterben.
Du wirst tot sein.
Du wirst nicht gehört haben
mein Lied.
Du wirst es hören
an deinem Grab.
Du wirst nicht
aufhören können
mein Lied zu hören.
Du wirst nicht sterben können.
Mein Lied wird dich
das Leben kosten.
Mein Lied wird
deine Nacht durchpflügen.
Du weißt nicht, wie furchtbar das ist.
Aber es ist alles umsonst.
Du wirst hören müssen.
Ich werde singen müssen.
Wir werden sterben müssen.


6. Der höchste Turm

Und sei es auch
der höchste Turm der Stadt.
Solange du ihn nicht bestiegen,
-siehst du nicht wie die Lichter gleissen-
Solange du nicht von ihm gestürzt,
-siehst du nicht wie die Lichter gleissen-
Solange, solange,
solange träumst du von ihm.
solange ist er groß und heiß und glänzt.


7. Ich hätte wissen müssen

Alles gehörte mir.
Da beschwor ich dein Bild,
deine Haut, dein Haar,
dein Fleisch, dein Blut.
Es gehörte mir.
Alles besaß ich.
Ich war so leicht,
mein Fuß berührte den Boden nicht.
Ich hätte wissen müssen.
Es war mein Haar,
mein Fleisch, meine Haut,
es war mein Blut.


8. Die Karawane

In Tausenden leben
kann ich nicht.
In Tausenden
sterbe ich.
Alle, vorübergegangen,
an dir.
Auch ich.
Berührt. Entrührt.
Nichts war. Nichts wird sein.
Es ist alles vorbei.
Was nicht war, ist vorbei.
Ich aber,
die Karawane bin ich,
ein dummes Tier.


9. Am Rande

Mutter,
alles ist stumm.
Mutter,
siehst du nicht.
Wie
im ganzen Leben
sollt' ich retten
dein Bild?
Mutter,
ich sehe dich,
wie eingefroren,
am Rande meines Herzens.


10. Du wirst nicht schlafen

Du wirst nicht schlafen.
Ich will dir alles nehmen.
Und wär'st du tausend
Jahre alt.
Du wirst keine Zuflucht
finden.
Und säh'st du mich nie,
du säh'st mich für immer.


11. Sand, Sand

Sand, der in meine
Augen rann.
Ich habe tausend mal
gelacht.
Dein elendes Bild,
vor dem ich knien musste.
Sand, Sand,
der in meine Augen rann
und hinein in mich fiel,
ganz tief hinein.
Dir, schrie ich,
bereit ich ein Grab.


12. Rechne nicht auf mich

Ich kann dich nicht
lebendig machen.
Warum sprichst du zu mir?
Das bin nicht ich.
Das bist nicht du.


13. Sicher

Sicher.
So bleibt alles offen.
Es scheint.
Es ist dein Glanz,
immer noch.
Ich will mich nicht trösten,
aufwachen nicht.
Ich kann nicht schlafen,
denken nicht,
nicht an dich,
dich nicht sehen,
nicht mehr.
Es war ja auch nichts,
und es wird gar nichts
bleiben.
Ich will es nicht.


14. Ein anderes Herz

Kein Zeichen,
das mir käme,
keines,
das bedeuten könnte.
Stumm ward mein Herz.
Es hatte alles vergessen,
die Berge, die Türme,
die Macht.
Ich schrie nach dem Winkel,
in dem es dich bergen mochte,
es antwortete nicht.
Ich vermochte nichts.
Es war ein anderes Herz.


15. Zerwildern dich

Als ich dich hörte,
endlich hörte,
als du mir sprachst,
keinem sonst,
ein Stein fiel in die Stille,
da sah ich dich am Boden liegen.
Es war ein Flüstern und Rauschen
und ich war ganz allein
und träumte:
Ich will nicht mehr zerschlagen
dein Herz.
Ich will nicht mehr
zerwildern dich.


16. Ich will nicht weitergehen

Warum nicht
noch einmal beginnen,
noch einmal der Schmerz,
noch einmal dein Herz,
noch einmal meines.
Ich will
alles von vorn.
Ich will nicht weitergehen.
Alles soll wehtun,
alles soll du sein,
alles ich.


17. Ich konnte dich sehen

An meine Fersen,
sie hefteten sich, immer.
Sie wollten meinen Tod.
Sie sagten Nein und Nein.
Der Baum,
in den ich meine Zähne schlug,
warf mir herab
ein scheinendes Gewand.
Ich konnte dich sehen.
Ich war in deinem Arm
und sie konnten nicht umbringen mich.
Sie warfen,
das konnte ich fühlen,
die Messer nach mir.
Sie vereisten mein heißes Gesicht.
Sie setzten an
zu töten mich.
Ich aber,
glaubst du mir, ich konnte dich sehen.
Sie vermochten ja nichts
über mein Leben.
Sie bekamen es nicht.
Nur manchmal,
da wollt ich sterben vor Scham.


18. Haben nicht

Ich kann dich denken,
haben aber nicht.
Wie soll ich leben
und dich haben nicht.
Ich denke immerfort.


19. Ich träumte

Ich träumte
Treten und Totschlagen dich.
Ich träumte
Nacht um Nacht.
Du wirst es wissen,
auch am Tag.
Ich träumte,
nie mehr ginge ich hinaus.
Die Kleider sind mir
verwelkt und bleich.
Ich trug sie,
trug ich sie nicht?
Entbot ich nicht
mein graues Gesicht?


20. Dahin

Dahin
ich dich verlor
und dachte
kann ich sehen dich
nicht mehr.
Finden dich nicht.
Aufheben nicht.


21. Einmal

Wie du mich ansahst,
als hättest du schon einmal mich gesehen,
und erkenntest mich.
Wie alles dir gelang
und du es nicht zu brauchen vermochtest,
soll einmal, einmal
niederwerfen dich.


22. Nichts besaß ich und hatte jemals besessen

Ich vereiste mein Wort,
denn schweigen konnte ich nicht.
Ich vereiste mein Wort,
es sollte aufquellen nicht dein dünnes Bild.
Es sollte sagen ein Nichts,
ein Nicht-Gewesen und Niemals.
Es sollte ein Auslöschen sein.
Es sollte sagen, es war nichts
und es wird gar nichts bleiben.


23. Minotaurus

Hinzu kam,
ich liebte ihn ja.
Ihn töten wollte ich nicht.
Meinen Auftrag erfüllte ich nicht.
Ich hatte keine Fäden gelegt.
Vielleicht wollte ich nicht zurück.
Vielleicht glaubte ich,
alle Wege seien offen.
Vielleicht sah ich in seinem Spiegel mich.
Vielleicht sah er in meinem sich.
Und sahen beide,
was wir sehen wollten,
sahen niemals uns,
warum wir untergehen mussten,
warum wir liegen mussten,
laubbedeckt und durstig.


24. In the night I heard my father speaking

Es ist gut so.
Niemals. Niemals liegen vor dir.
Es war das Feuer,
es zerbrannte mich.
Ich werde niemals sprechen.
Nicht zu dir.
Ich werde siegen,
deine Lieder hören
nicht.
Das bin ich,
gefesselt am Mast.


25. Ich will nicht

Warum ich die Worte nicht machen kann.
Ich kann gar nichts.
Dich sehen, das kann ich,
sprechen aber nicht.
Denken kann ich, sprechen aber nicht.
Warum ich immer sprechen will.
Warum ich nicht schweigen kann und muß.
Warum ich dich suchen muß und nicht finden kann.
Warum das so ist.
Warum ich nicht aufhören kann.
Warum ich nicht stillstehen kann.
Warum ich todmüde bin.
Warum mein Ohr so ist, dass es deine Sprache nicht verstehen kann.
Ich will nicht.
Warum du so bist,
so bist für mich.
Ich weiß gar nichts.
Warum es nicht stumm wird, mein Herz.
Warum es nicht stumm wird für dich.
Warum ich wild sein muß und allein.
Warum ich den Turm nicht besteigen kann,
von dem ich falle jeden Tag.
Ich will nicht.
Warum ich die Worte nicht setzen kann und will.
Warum du tot bist und ich lebe.
Warum du tot bist, seit ich lebe.
Ich will nicht.


26. Du wirst es nicht begreifen

Du sollst tot sein.
Ich will dich nicht.
Ich will ohne dich sein.
Keinen Gedanken
will ich dir mehr schicken.
Ich hasse dich.
Ich drehe mich um
und lasse dich allein.
Alles wird dunkel sein.
Du wirst schreien.
Du wirst es nicht begreifen.
Es wird mich nicht
mehr geben für dich.


27. Wie sollt' ich siegen?

Wie sollt ich siegen.
Ich kann nicht siegen
über dich.
Ein Bild.
Ein Wort.
Ein furchtbarer Traum.
Mein Leben.
Ich kann nicht vergessen dich.
Niemals aber, niemals
wirst du siegen,
niemals wirst du machen
meinen Tod.


28. Ich begann nicht

Ich begann nicht.
Dieses mal war
kein Anfang.
Dieses mal war
keine Frage.
Auch die Möglichkeit
der Antwort war nicht,
nicht für mich,
dieses mal war ohne mich,
ich,
wie zerstoben, zertaucht,
wie am Meeresgrund,
so schien es mir.


29. I do not understand

All my life
remembering is.
Seconds
Years become.
Moments
burdening my life forever.
I do not understand.
Never did I
push away
the dead.


30. So träumt' ich immerfort

Ich will nicht weinen,
weinen über dich.
Die gleichen Worte
nicht mehr denken,
denken über dich.
Vergessen nicht,
töten dich,
so träumt' ich immerfort.


31. Ich will dich haben nicht

Ich will dich haben
nicht.
Erdenken will ich dich.
Einmal
zerschlug ein Tier mir das Herz.
Ich will nicht.
Ich will dich haben
nicht.


32. Du warst nicht

Du warst nicht.
Wer sprach,
sprach von dir?
Ich weiß es nicht.
Gab es einen,
der jemals gedacht hätte deiner?
Deines Leidens, deiner Augen, deiner?
Ich will das nicht gewesen sein,
der nah dir kam,
so unbemerkt,
zu nah, zu nah.
Ich will gewesen sein
auf der anderen Seite des Flusses.
Ich will gewesen sein,
wo du niemals warst,
du warst ja nicht.


33. The one I loved

The one I loved
will not remember me.
He'll never know
and never did he.
The one I loved
just looked at me.
He made me.


34. Ich kann machen das Nichts

Weißt du,
ich erinnere nicht.
Was ich ersehnte,
bezwang ich.
Ich kann machen das Nichts.
Ich stehe einfach totenstill.


35. You gave me to the wilderness

How could it happen
that I never met you.
How could it happen,
that you went away.
Having seen me,
having looked into my eyes,
how could you go?
To me it seems,
I couldn't touch your heart.
You made me all alone
and dark my heart forever.
You made me wild
with killing dreams.


36. Herz, zerbrich.

Vielleicht: Gar nichts.
Alles vergaß mein Herz.
Zehnmal zersprang es
und weinte nicht.
Es sang ein Lied,
da schlief ich ein.
Es sang:
Er liebt dich nicht. Er liebt dich nicht.
Er wird dich niemals lieben.
Es sang:
Weiß nichts von dir, weiß nichts von dir,
wie sollt er von dir wissen.
Es sang:
Führt seine Frau zum Tanz
und lacht und lacht mit deinen Feinden.
Sang: Ist überall,
niemals mit dir.
Herz, zerbrich.
Vielleicht: träumt er von mir.
Das weißt du nicht.
Vielleicht: Er kann nicht schlafen.
Das weißt du nicht.
Vielleicht: Mein Bild,
es peinigt seinen Schlaf.
Das weißt du nicht.
Vielleicht: Wie ich einmal träumte
kann er sterben nicht.
Das weißt du nicht.
Vielleicht: Wie ich niemals träumte,
ich weiß es nicht.
Herz, zerbrich.


37. Keine Spur

Ich hatte sie nicht gesehen,
noch hörte ich sie.
Niemals träumt ich von ihr.
Doch war sie, war gewesen.
Ich ohne sie.
Sie schlossen sie fort.
Lange, lange.
Sie löschten sie aus.
Ich aber war,
sollte sein.
Ich suchte wild.
Fand nichts,
wie hätt ich finden sollen.
Sodann sie kamen und sprachen
und zerdehnten mein Herz,
das ruhig sein wollte
und auslöschen sie.
Mutter, geh fort.


II. Die Leierspielerin